Rz. 4a
Seit dem Inkrafttreten der DEVO/DÜVO zum 1.1.1973 (ab 1.1.1999 DEÜV) sind die Arbeitgeber Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und haben als solche im Zusammenhang mit der Durchführung des Beitragsverfahrens neben ihrer Zahlungspflicht (§§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV, § 3 BVV) zahlreiche Meldepflichten gegenüber der Einzugsstelle, Informationspflichten gegenüber ihren Beschäftigten (§ 28a Abs. 5 SGB IV, § 25 DEÜV) sowie Aufzeichnungspflichten zum Nachweis der Beitragsabrechnungen und Beitragszahlungen (§ 28f SGB IV), die von den Betriebsprüfdiensten der Rentenversicherungsträger regelmäßig – spätestens alle 4 Jahre – überprüft werden (§ 28p SGB IV).
Im Gegenzug dazu haben die Arbeitgeber gemäß § 28g Satz 1 SGB IV Anspruch auf den von ihren Beschäftigten zu tragenden Teil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der allerdings nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden kann (§ 28g Satz 2 SGB IV).
Die Verantwortung für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie die Verpflichtung zur Abgabe von Jahresmeldungen (§ 10 DEÜV) obliegt nach den in §§ 28a ff. SGB IV enthaltenen Regelungen somit allein den Arbeitgebern, die bei ordnungswidrigem Verhalten i. S. d. Bußgeldvorschriften (§§ 111 bis 113 SGB IV) auch die sich daraus ergebenden Sanktionen hinnehmen müssen.
Die in § 203 Abs. 1 und 2 enthaltenen Regelungen zur Zulässigkeit von Kontenergänzungen und Beitragsfiktionen dienen dem Schutz von Versicherten, deren Versicherungskonten aufgrund von Melde- oder Übertragungsfehlern oder wegen einer Beitragshinterziehung Lücken aufweisen, die nach §§ 28a ff. SGB IV i. V. m. der DEÜV (bis zum 31.12.1998 i. V. m. der DEVO/DÜVO) von ihren jeweiligen Arbeitgebern zu vertreten sind.
2.1 Kontenergänzung (Abs. 1)
Rz. 5
Enthält ein Versicherungskonto für Zeiten der Ausübung einer versicherten Beschäftigung mit tatsächlicher Beitragszahlung keine Daten, so genügt zur Anerkennung der Beschäftigungszeit als Beitragszeit i. S. v. § 55 Abs. 1 nach dem Wortlaut des § 203 Abs. 1 die "Glaubhaftmachung" dieser Tatsachen.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen "überwiegend wahrscheinlich" ist; etwaige Restzweifel stehen somit der Anerkennung einer nicht gespeicherten Beschäftigungszeit als Beitragszeit (§ 55 Abs. 1) nicht entgegen.
Nach dem in § 20 Abs. 1 SGB X enthaltenen Untersuchungsgrundsatz hat die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen und bedient sich hierzu der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Bei Anwendung von § 203 Abs. 1 sind folgende Tatsachen glaubhaft zu machen:
- tatsächliche Ausübung sowie zeitlicher Umfang der versicherten Beschäftigung,
- Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts (= beitragspflichtige Einnahmen i. S. v. §§ 162, 163, 166),
- tatsächliche Beitragszahlung.
Für eine Glaubhaftmachung von Beitragszeiten i. S. v. § 55 Abs. 1 kommen (z. B.) folgende Beweismittel in Betracht:
- Arbeitgeberbescheinigungen nach der DEÜV (bis zum 31.12.1998 nach der DEVO/DÜVO in den jeweiligen Fassungen), die der Arbeitgeber seinen Beschäftigten gemäß § 28a Abs. 5 SGB IV, § 25 Abs. 1 und 2 DEÜV jährlich auszuhändigen hat,
- Bestätigungen der zuständigen Einzugsstelle über das Vorliegen einer versicherten Beschäftigung sowie die tatsächliche Beitragsabführung,
- Lohnsteuerkarten, aus denen sich die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge ergeben,
- Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Versicherten,
- Bescheinigungen eines Sozialleistungsträgers über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Entgeltersatzleistungen.
Als Mittel der Glaubhaftmachung kann die Behörde bei ihrer Ermessensprüfung keine Versicherungen an Eides Statt zulassen, weil § 203 Abs. 1 dies für den Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens nicht ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Rz. 6
Die vorgenannten Beweismittel sind ggf. auch geeignet, den Nachweis über das Vorliegen einer Beitragszeit (§ 55 Abs. 1) zu erbringen, dem Vorrang vor der Glaubhaftmachung einzuräumen ist.
Dabei gilt nach Rechtsauslegung der Rentenversicherungsträger (vgl. FAVR-AG2/92 TOP 10) eine Beitragszeit als nachgewiesen, wenn
- entweder der zeitliche Umfang (Beginn und Ende der Beschäftigung sowie Arbeitsunterbrechungen durch Arbeitsunfähigkeit, Schutzfristen nach dem MuSchG etc.) nachgewiesen werden kann oder der
- der zeitliche Umfang der Beitragszeit lediglich glaubhaft ist, aber über die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen (§§ 162, 163, 166) ein Nachweis vorliegt.
Rz. 7
Für die auf der Grundlage von § 203 Abs. 1 anzurechnenden nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Beitragszeiten sind gemäß § 70 Abs. 1 bei der Berechnung von Monatsrenten (§ 64) Entgeltpunkte für Beitragszeiten (§ 70 Abs. 1) zu ermitteln. Soweit die dafür benötigte Beitragsbemessungsgrundlage durch vorhandene Lohn- oder Gehaltsabrechnun...