Rz. 8

Neben der Zugehörigkeit zu dem oben genannten Personenkreis setzt die Berechtigung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen nach § 206 Abs. 1 voraus, dass der Versicherte als Vertriebener anerkannt ist (sog. Vertriebeneneigenschaft).

Dabei dient das im Jahre 1953 in Kraft getretene Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als Grundlage für die Feststellung der Vertriebeneneigenschaft von Vertriebenen und Flüchtlingen, die ihre Heimat im Zusammenhang mit den Ereignissen des 2. Weltkriegs (insbesondere) durch Ausweisung oder Flucht verlassen mussten. Im Laufe des mehr als 70 Jahre bestehenden BVFG sind die Vorschriften und das Verfahren zur Anerkennung der Vertriebeneneigenschaft wiederholt geändert worden. Derzeit ergeben sich diese aus dem BVFG in der Fassung der Bekanntmachung v. 22.12.2023 (BGBl. I S. 390).

Nach §§ 1, 2 und 4 BVFG gelten als "Vertriebene i. S. v. § 206 Abs. 1" Personen, die als deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige

  • unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden (sog. Vertriebene gemäß § 1 BVFG),
  • zu einem späteren Zeitpunkt, aber vor dem 1.1.1993, als sog. Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind (sog. Heimatvertriebene gemäß § 2 BVFG),
  • nach dem 31.12.1992 – im Wesentlichen aus der ehemaligen Sowjetunion – als sog. Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind (§ 4 BVFG).[1]

Der Nachweis über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Vertriebenen i. S. v. §§ 1, 2 und 4 BVFG wird für Heimatvertriebene (§ 2 BVFG) durch den Vertriebenenausweises A (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BVFG a. F.) und für Vertriebene (§ 1 BVFG) durch den Vertriebenenausweis B (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 BVFG a. F.) geführt. Vertriebenenausweise wurden allerdings längstens bis zum 31.12.1992 ausgestellt. Seit dem 1.1.1993 sind nach Art. 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgen v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2094) nur noch den Rentenversicherungsträgern Bescheinigungen über die Zugehörigkeit eines Versicherten zu dem in §§ 1, 2 und 4 BVFG genannten Personenkreis auszustellen.

 

Rz. 9

Eine Berechtigung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen gemäß § 206 Abs. 1 besteht allerdings nicht für sog. Sowjetzonenflüchtlinge. Sowjetzonenflüchtlinge sind gemäß § 3 BVFG Personen, die ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR oder Berlin (Ost) hatten, von dort vor dem 1.7.1990 geflüchtet sind und dies durch Vorlage eines Vertriebenenausweises C nachweisen; dieser Personenkreis ist vielmehr gemäß § 233a Abs. 3 oder Abs. 4 nachzuversichern.

[1] Nach dem Wortlaut des § 206 Abs. 1 wären Spätaussiedler eigentlich nicht zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen berechtigt, da diese Nachzahlungsregelung (anders als z. B. § 1 Buchst. a FRG) weder eine Gleichstellung dieses Personenkreises mit Vertriebenen vorsieht noch eine Verweisung auf alle in §§ 1 bis 4 BVFG genannten Personenkreise enthält, wie sie sich z. B. aus §§ 250 Abs. 1 Nr. 6, 284 Satz 1 ergibt. Aus rechtssystematischen Gründen werden Spätaussiedler allerdings in der Verwaltungspraxis bei der Anwendung von § 206 Abs. 1 gleichwohl in den Personenkreis der Vertriebenen einbezogen. Diese Rechtsauslegung wird damit begründet, dass kein sachlicher Grund erkennbar ist, der den Gesetzgeber dazu bewogen haben könnte, Spätaussiedlern zwar ein Nachzahlungsrecht nach § 284, nicht aber nach § 206 Abs. 1 einzuräumen. Beide Nachzahlungsregelungen sind darauf gerichtet, versicherungsrechtliche Lücken zu schließen, die dadurch entstanden sind, dass im Herkunftsland des betroffenen Versicherten trotz Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit keine Beiträge zu einem System der Sozialen Sicherung gezahlt worden sind (RBRTS 1/2012, TOP 14). Als weiteres Argument für diese Rechtsauslegung kann angeführt werden, dass der Rechtsbegriff "Spätaussiedler" bei der Neufassung des § 206 Abs. 1 durch das RÜG v. 25.7.1991 (BGBl. I S. 1606) schon deshalb keine Berücksichtigung finden konnte, weil er erst im Jahre 1993 eingeführt worden ist.

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