0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 239, der die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Knappschaftsausgleichsleistung regelt, ist durch Art. 1, Art. 85 Abs. 1 RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) am 1.1.1992 in Kraft getreten. Die Vorschrift entspricht inhaltlich im Wesentlichen den bis zum 31.12.1991 in § 98a Reichsknappschaftsgesetz (RKG) enthaltenen Regelungen.
Rz. 2
§ 239 Abs. 1 wurde durch Art. 1 Nr. 54, Art. 42 Abs. 1 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) v. 25.7.1991 (BGBl. I S. 1606) mit Wirkung zum 1.1.1992 um Satz 2 ergänzt, der bestimmt, dass Personen, die nach Vollendung ihres 50. Lebensjahres aus einem knappschaftlichen Betrieb ausgeschieden sind und eine Bergmannsvollrente im Beitrittsgebiet bezogen haben, den Beziehern von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus in den alten Bundesländern bei Prüfung der Voraussetzungen des § 239 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gleichgestellt sind. Da das Anpassungsgeld nach den Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld lediglich bis zu einer Höchstdauer von 5 Jahren bezogen werden kann, ist eine Gleichstellung des Bezugs der Bergmannsvollrente ebenfalls nur für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren vorgesehen. Diese Regelung wurde erforderlich, weil es nach dem Recht der ehemaligen DDR eine dem Anpassungsgeld entsprechende Leistung nicht gegeben hatte. Vielmehr wurde Bergleuten, die eine langjährige Untertagetätigkeit nachweisen konnten, bereits nach Vollendung ihres 50. Lebensjahres eine Bergmannsvollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Ein Anspruch auf eine Bergmannsvollrente konnte gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG auch noch nach dem Inkrafttreten des SGB VI bis zum 31.12.1996 entstehen, wenn ein Versicherter die Voraussetzungen des Art. 2 § 6 RÜG erfüllte und solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hatte. Die Gleichstellung des Bezugs einer Bergmannsvollrente gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 ist nicht davon abhängig, ob ein Versicherter im Einzelfall bei Aufgabe der Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb in den alten Bundesländern Anpassungsgeld hätte beziehen können. Diese von den Voraussetzungen für den Bezug von Anpassungsgeld unabhängige Fiktion war erforderlich, weil den Bergleuten in den neuen Bundesländern sonst der Zugang zur Knappschaftsausgleichsleistung wegen des dort nicht vorhandenen Steinkohlenbergbaus versperrt geblieben wäre.
Darüber hinaus wurde durch das RÜG § 239 Abs. 3 um einen Verweis zum Hinzuverdienst (§ 239 Abs. 3 Satz 6) ergänzt.
Durch Art. 1 Nr. 17, Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) wurde in § 239 Abs. 3 Satz 1 mit Wirkung zum 1.1.2001 das Wort "Erwerbsunfähigkeit" durch die Wörter "voller Erwerbsminderung" ersetzt. Hierbei handelt es sich um eine redaktionelle Änderung, die wegen der Neuordnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit notwendig geworden ist. Darüber hinaus wurde mit diesem Gesetz mit Wirkung zum 1.1.2001 in § 239 Abs. 3 folgender Satz 2 eingefügt: "Der Zugangsfaktor beträgt 1,0." Diese Änderung war erforderlich, weil Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit dem 1.1.2001 einen geringeren Zugangsfaktor (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) als 1,0 erhalten, wenn sie vorzeitig in Anspruch genommen werden. Für die Knappschaftsausgleichsleistung, die bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres eines Versicherten geleistet werden kann, soll der Zugangsfaktor nach dem Wortlaut des § 239 Abs. 3 Satz 2 dagegen immer 1,0 betragen. Dies hat zur Folge, dass die Knappschaftsausgleichsleistung als knappschaftliche Sonderleistung trotz vorzeitiger Inanspruchnahme generell abschlagsfrei zur Auszahlung gelangt.
Durch Art. 1 Nr. 33, Art. 9 Abs. 3 des Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) v. 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838) wurde § 239 Abs. 3 Satz 6 wegen der Änderungen des Hinzuverdienstrechts für Altersrentenbezugszeiten vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 34) mit Wirkung zum 1.7.2017 neu gefasst.
Durch Art. 7 Nr. 27, Art. 34 Abs. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-ÄndG) v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) wurde in Abs. 3 Satz 6 die Angabe "6.300 EUR" durch die Wörter "drei Achteln der 14fachen monatlichen Bezugsgröße" mit Wirkung zum 1.1.2023 ersetzt. Dadurch wurde die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 96a Abs. 1c Nr. 2 i. d. F. ab 1.1.2023) für die Knappschaftsausgleichsleistung nachvollzogen (BT-Drs. 20/3900 v. 12.10.2022 S. 104).
1 Allgemeines
Rz. 2a
Bei der Knappschaftsausgleichsleistung handelt es sich nicht um eine Rente, sondern um eine zusätzliche Leistung der knappschaftlichen Rentenversicherung, die grundsätzlich wie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2), allerdings ohne Berücksichtigung einer Zurechnungszeit (§ 59) und ohne Hinzurec...