2.1.1 Auflösung der Ehe vor dem 1.7.1977
Rz. 8
Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente an vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten besteht (unter anderem) nur, wenn die Ehe der antragstellenden Person mit dem verstorbenen Versicherten nach dem Eherecht aufgelöst worden ist, das vor dem 1.7.1977 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (ohne das Beitrittsgebiet) anzuwenden gewesen ist (Abs. 1 Nr. 1). Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt der Verkündung des Scheidungsurteils. Eine Ehe ist nämlich auch dann nach dem bis zum 30.6.1977 geltenden Eherecht aufgelöst, wenn das Scheidungsurteil vor dem 1.7.1977 verkündet, aber erst nach diesem Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist (BGH, Beschluss v. 27.6.1979, FamRZ 1979 S. 906, 907).
Rz. 9
Geschiedenen Ehegatten stehen nach Abs. 5 der Vorschrift Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist. Geschiedener Ehegatte i. S. d. § 243 ist somit derjenige, dessen Ehe mit dem verstorbenen Versicherten nach dem bis zum 30.6.1977 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (ohne das Beitrittsgebiet) geltenden Eherecht
geschieden ist (§§ 41 ff. EheG v. 20.2.1946); Scheidungsgründe konnten z. B. sein:
- Ehebruch (§ 42 EheG 1946),
- andere Eheverfehlungen (§ 43 EheG 1946),
- auf geistiger Störung beruhendes Verhalten (§ 44 EheG 1946),
- Geisteskrankheit (§ 45 EheG 1946),
- Ehezerrüttung (§ 48 EheG 1946),
für nichtig erklärt ist (§§ 16 ff. EheG v. 20.2.1946); Nichtigkeitsgründe konnten z. B. sein:
- Mangel an der Form der Eheschließung (§ 17 EheG 1946),
- Mangel der Geschäfts- und Urteilsfähigkeit (§ 18 EheG 1946),
- Eheschließung nur zum Zwecke der Namensführung (§ 19 EheG 1946),
- Doppelehe (§ 20 EheG 1946),
- Eheschließung zwischen Verwandten und Verschwägerten (§ 21 EheG 1946),
aufgehoben ist (§§ 28 ff. EheG v. 20.2.1946); Aufhebungsgründe konnten z. B. sein:
- Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 30 EheG 1946),
- Irrtum über die Eheschließung oder die Person des anderen Ehegatten (§ 31 EheG 1946),
- Arglistige Täuschung (§ 33 EheG 1946),
- Drohung (§ 34 EheG 1946),
- Wiederverheiratung nach irrtümlicher Todeserklärung (§ 39 EheG 1946).
Rz. 10
Soweit eine Ehe erst nach dem 30.6.1977 auf Antrag der Staatsanwaltschaft für nichtig erklärt worden ist, der Versicherte aber bereits vor dem 1.7.1977 gestorben ist, ist der Zeitpunkt der Auflösung der Ehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Todestag des Versicherten zu legen (BGH, Beschluss v. 12.12.1984, FamRZ 1985 S. 270, 271).
Über die Scheidung, Nichtigkeit oder Aufhebung der Ehe muss ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil vorliegen. Der Nachweis der Rechtskraft eines solchen Urteils kann durch eine Urteilsausfertigung mit einem Rechtskraftvermerk der Geschäftsstelle des für die Auflösung der Ehe zuständigen Landgerichts geführt werden.
Rz. 11
Urteile von Gerichten der DDR über die Auflösung einer Ehe sind als Urteile deutscher Gerichte grundsätzlich wirksam (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages v. 31.8.1990, BGBl. II S. 889), es sei denn, die Anerkennung des Urteils ist verweigert worden, weil dieses mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar war (Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Einigungsvertrag). Über die Nichtanerkennung von Eheauflösungen durch Gerichte der ehemaligen DDR haben ausschließlich die zuständigen Zivilgerichte zu entscheiden.
Urteile von ausländischen Gerichten über die Auflösung einer Ehe bedürfen für ihre Wirksamkeit grundsätzlich der Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung des Landes, in dem sich einer der geschiedenen Ehegatten ständig aufhält bzw. aufgehalten hat (Art. 7 § 1 Familienrechts-Änderungsgesetz). Wird ein ausländisches Urteil über die Auflösung einer Ehe von der zuständigen Landesjustizverwaltung nicht anerkannt, liegt keine wirksame Eheauflösung vor. Soweit in diesen Fällen von einer rechtsgültigen Eheschließung ausgegangen werden kann, sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente gemäß § 46 Abs. 1 und 2 zu prüfen.
2.1.2 Keine Wiederheirat/Begründung einer Lebenspartnerschaft
Rz. 12
Abs. 1 Nr. 2 bedingt, dass der geschiedene Ehegatte weder wieder geheiratet noch eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat. Diese Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen, wenn der überlebende geschiedene Ehegatte während der gesamten Zeit von der Ehescheidung bis zum Tod des Versicherten unverheiratet gewesen ist und auch keine Lebenspartnerschaft i. S. d. Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) begründet hatte. Mit einer Wiederheirat oder der Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu Lebzeiten des Versicherten geht der Status als geschiedener Ehegatte des verstorbenen Versicherten i. S. d. Vorschrift verloren (BSG, SozR § 1265 RVO Nr. 30; BVerfG, SozR § 1265 RVO Nr. 85). Dies gilt selbst dann, wenn die neue Ehe noch zu Lebzeiten des Versicherten wieder aufgelöst oder für nichtig erklärt wurde oder wenn die Lebenspartnerschaft aufgehoben oder durch den Tod des anderen Lebenspartners aufgelöst worden ist.
Eine Wiederheirat oder die Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Tod eines Versicherten steht dem Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente an vor...