Rz. 4
Die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach Abs. 2 setzt u. a. eine Versicherteneigenschaft voraus. Die Versicherteneigenschaft liegt gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 vor, wenn für einen Versicherten zu irgendeinem Zeitpunkt vor Eintritt des Leistungsfalls mindestens ein Pflichtbeitrag oder ein freiwilliger Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist oder Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (z. B. fiktive Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung für Zeiten vor dem 1.6.1999). Darüber hinaus erweitert § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 den Kreis der "Versicherten" um Personen, die nachversichert worden sind oder für die aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings Rentenanwartschaften übertragen oder begründet worden sind, wenn der Nachversicherungszeitraum, die Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG, bis 31.8.2009 § 1587 Abs. 2 BGB) oder die Splittingszeit (§ 120 a Abs. 6) zumindest teilweise vor dem Leistungsfall liegen.
Die Begründung der Versicherteneigenschaft durch eine Beitragszahlung erfordert grundsätzlich, dass der Beitrag bereits im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls i. S. d. § 197 Abs. 1 bis 4 wirksam gezahlt worden ist. Abweichend hiervon gelten Pflichtbeiträge für abhängig Beschäftigte bereits zu dem Zeitpunkt als gezahlt, in dem die im Gesetz genannten Voraussetzungen für das Eintreten der Versicherungspflicht vorliegen. Auf den tatsächlichen Tag der Beitragsabführung kommt es in diesen Fällen nicht an. Hier gilt vielmehr das sog. "Für-Prinzip", mit der Folge, dass diese Beiträge bereits zu dem Zeitpunkt als gezahlt gelten, für den sie gezahlt worden sind. Durch die Zahlung von Pflichtbeiträgen für abhängig Beschäftigte nach Eintritt eines Leistungsfalls für Zeiten vor dem Leistungsfall kann somit eine Versicherteneigenschaft i. S. d. § 245 Abs. 2 begründet werden. Bei freiwilligen Beiträgen hingegen gilt das sog. "In-Prinzip" mit der Folge, dass die tatsächliche Beitragszahlung unter Berücksichtigung der Regelungen des § 6 RV- BZV bereits vor dem Eintritt des Leistungsfalls erfolgt sein muss, um die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 245 Abs. 2 bewirken zu können. Durch eine freiwillige Beitragszahlung nach Eintritt eines Leistungsfalls für Zeiten vor dem Leistungsfall kann somit für den aktuellen Leistungsfall keine Versicherteneigenschaft i. S. d. § 245 Abs. 2 begründet werden.
Die Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 245 Abs. 2 setzt darüber hinaus voraus, dass der Versicherte durch einen der in § 245 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 genannten Tatbestände vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben ist und der Leistungsfall bereits vor dem 1.1.1992 eingetreten ist. Für Leistungsfälle in der Zeit vom 1.1.1973 bis zum 31.12.1991 ist dabei zunächst § 53 Abs. 1 anzuwenden. Liegen die Voraussetzungen nach der Grundnorm des § 53 Abs. 1 nicht vor, ist zu prüfen, ob die allgemeine Wartezeit nach der Übergangsregelung des § 245 Abs. 2 vorzeitig erfüllt ist. Die in § 245 Abs. 2 Nr. 1 bis 6, 8 und 9 aufgeführten Tatbestände, die hinsichtlich ihrer Anzahl über die in § 53 Abs. 1 genannten hinausgehen, waren bis zum 31.12.1991 in § 1252 Abs. 1 RVO, § 29 Abs. 1 AVG und § 52 Abs. 1 RKG enthalten. Der in § 245 Abs. 2 Nr. 7 genannte Tatbestand (Gewahrsam nach § 1 Häftlingshilfegesetz) wurde mit Wirkung zum 1.1.1992 zusätzlich in den Katalog der Tatbestände für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung aufgenommen.
Bei Eintritt von Erwerbsminderung oder bei Tod eines Versicherten nach dem 31.12.1991 ist ausschließlich § 53 Abs. 1 einschlägig.
2.2.1 Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten
Rz. 5
Die Wartezeitfiktion (jetzt: vorzeitige Wartezeiterfüllung) bei Eintritt eines Arbeitsunfalls war nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht (§ 1252 Abs. 1 RVO, § 29 Abs. 1 AVG, § 52 Abs. 1 RKG) auf Leistungsfälle beschränkt, die nach dem 30.4.1942 eingetreten sind.
Nach § 245 Abs. 2 Nr. 1 ist die Wartezeit in Anlehnung an § 1252 Abs. 1 RVO, § 29 Abs. 1 AVG und § 52 Abs. 1 RKG vorzeitig erfüllt, wenn ein Versicherter nach dem 30.4.1942, aber vor dem 1.1.1992 wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben ist. Hierbei ist es erforderlich, dass zwischen dem Arbeitsunfall/der Berufskrankheit und der Erwerbsminderung oder dem Tod des Versicherten ein innerer ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) besteht. Ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang (z. B. Herzinfarkt während der Ausübung einer unfallversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit) reicht für die Anwendung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht aus.
Definitionen der Begriffe Arbeitsunfall und Berufskrankheit ergeben sich aus den §§ 8 und 9 SGB VII (bis 31.12.1996 §§ 548 ff. RVO). Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer unfallversicherten Tätigkeit i. S. d. §§ 2, 3 und 6 SGB VII. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Als Arbeitsunfälle gelten auch sog. Wegeunfälle nach...