Rz. 12
Abs. 1 Nr. 3 sieht die Möglichkeit der Anerkennung von Anrechnungszeiten für Lehrzeiten in bestimmten Zeiträumen vor. Eine Lehrzeit i. S. d. Vorschrift liegt vor, wenn eine abhängige Beschäftigung in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung für eine regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige Berufstätigkeit dient, diesem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt (BSG, Urteil v. 3.12.1992, 13 RJ 73/91; v. 23.9.1999, B 12 RJ 1/99 R; v. 1.12.1999, B 5 RJ 56/98 R). Die Prüfung dieser Voraussetzungen richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Ausbildung. Für Zeiten vor dem Inkrafttreten des BBiG v. 14.8.1969 war Lehrling, wer für einen Ausbildungsberuf in Handwerk, Industrie und Verwaltung die vor Ablegen der Gesellen- oder Gehilfenprüfung vorgeschriebene Ausbildung zurückgelegt hat (BSG Urteil v. 12.7.1988, 4/11 RA 69/87; v. 16.3.1989 4 RA 10/88). Darüber hinaus wurden in erweiterter Auslegung des Begriffs "Lehrling", auch Ausbildungszeiten als Anlernling als Lehrzeiten i. S. d. Vorschrift gewertet (BSG, Urteile v. 23.9.1999, B 12 RJ 1/99 R; v. 1.12.1999, B 5 RJ 56/98 R).
Lehrlinge oder sonst zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte waren seit dem Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung v. 17.3.1945 am 1.6.1945 grundsätzlich rentenversicherungspflichtig. Nach den bis zum 28.2.1957 geltenden versicherungsrechtlichen Regelungen waren allerdings Lehrlinge ohne Entgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig, und Lehrlinge, die ausschließlich Kost und Logis erhielten, waren versicherungsfrei. Zur Schließung versicherungsrechtlicher Lücken besteht nach Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift die Möglichkeit, Zeiten einer abgeschlossenen nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit als Anrechnungszeiten anzuerkennen. Die Regelung soll Härten abmildern, die sich daraus ergeben könnten, dass Zeiten der beruflichen Ausbildung erst im Jahre 1957 umfassend in die Rentenversicherungspflicht einbezogen worden sind. Darüber hinaus bezweckt die Vorschrift die Gleichbehandlung nicht versicherungspflichtiger bzw. versicherungsfreier Lehrzeiten mit Zeiten einer schulischen Ausbildung, die nach Vollendung des 17. Lebensjahres eines Versicherten gemäß § 58 Satz 1 Abs. 1 Nr. 4 bis zu einer Höchstdauer von acht Jahren ebenfalls als Anrechnungszeiten anzuerkennen sind. Lehrzeiten können allerdings – anders als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) – ohne Berücksichtigung einer Höchstdauer als Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Nr. 3 anerkannt werden.
Vor Anwendung des Abs. 1 Nr. 3 ist zunächst zu prüfen, ob die als Anrechnungszeit nach Abs. 1 Nr. 3 in Betracht kommenden Lehrzeiten nicht vorrangig als fiktive Pflichtbeitragszeiten gemäß § 247 Abs. 2a anzuerkennen sind. Insoweit wird auf die Komm. zu dieser Vorschrift verwiesen.
Abs. 1 Nr. 3 beinhaltet eine ausdrückliche zeitliche Einschränkung für die Berücksichtigung von Lehrzeiten als Anrechnungszeiten bis zum 28.2.1957 bzw. im Saarland bis zum 31.8.1957. Diese zeitliche Einschränkung entspricht zwar der Verfahrensweise der Rentenversicherungsträger bis zum 31.12.1991; sie war jedoch in dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht gesetzlich nicht festgeschrieben.
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Nur abgeschlossene Lehrzeiten können nach dem Wortlaut des Abs. 1 Nr. 3 als Anrechnungszeiten anerkannt werden. Sind mehrere Lehrzeiten zurückgelegt worden, von denen nur die letzte abgeschlossen worden ist, so sind bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch alle vorangegangenen Lehrzeiten als Anrechnungszeiten im Sinne der Vorschrift anzuerkennen. Durch den Abschluss der zeitlich zuletzt liegenden Lehrzeit sind die Lehrzeiten insgesamt als abgeschlossen anzusehen. Eine Lehrzeit endet grundsätzlich mit der Aushändigung des Prüfungszeugnisses oder mit dem erfolgreichen Ablegen der für die Ausbildung vorgesehenen Lehrabschlussprüfung.
Abs. 1 Nr. 3 ist durch das WFG mit Wirkung zum 1.1.1997 geändert worden (Art. 1 Nr. 29 Buchst. a, Art. 12 Abs. 1 WFG), indem die Altersgrenze für die Anerkennung von Lehrzeiten als Anrechnungszeiten vom 16. auf das 17. Lebensjahr angehoben worden ist. Diese Rechtsänderung ist eine Folgeänderung zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, der als Mindestalter für die Anerkennung von schulischen Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten seit dem 1.1.1997 ebenfalls die Vollendung des 17. Lebensjahres vorsieht.
Wegen Zeitablaufs ist Abs. 1 Nr. 3 nur noch von untergeordneter praktischer Bedeutung.