Rz. 6
Die Vertrauensschutzregelung des Abs. 1 (vgl. Rz. 1, 2) sichert für Rentenbezugszeiten nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres auch bei Todesfällen ab 1.1.2002 den bis zum 31.12.2001 geltenden günstigeren Rentenartfaktor von 0,6 (= 60 % der Vollrente des Verstorbenen) anstelle von 0,55 (= 55 % der Vollrente des Verstorbenen, vgl. § 67 Nr. 6) zu.
Rz. 7
Abs. 1 sieht dabei zwar 2 mögliche Fallgestaltungen vor (zu den Fallvarianten vgl. auch BSG, Urteil v. 17.4.2012, B 13 R 15/11 R, Rz. 36; vgl. zu der Entscheidung des BSG auch Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, LSV RdSchr L 85/2012):
- wenn der Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben ist (1. Alt.) oder
- wenn die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde (2. Alt.).
Rz. 8
Die Rechtsfolge der 1. Fallvariante bei Versterben eines Ehegatten vor dem 1.1.2002 ergibt sich dabei aber unter Umständen schon bei einem Rentenbeginn vor diesem Datum aus dem anzuwendenden alten Recht des § 67 in der bis 31.12.2001 gültigen Fassung (§ 300 Abs. 1).
Rz. 9
Sofern die anspruchserhaltende Wirkung allein aus § 255 Abs. 1 1. Alt. folgt, ist gerade nicht auf den Rentenbeginn, sondern allein auf den Zeitpunkt des Todes abzustellen (vgl. auch GRA der DRV zu § 255 SGB VI, Stand: 21.7.2015, Abschn. 2).
Rz. 10
Die Zuerkennung des günstigeren Rentenartfaktors von 0,6 nach der. 2. Alt. ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Die Ehe muss vor dem 1.1.2002 geschlossen und
- einer der Ehegatten muss vor dem 2.1.1962 geboren
worden sein.
Rz. 11
Unerheblich hingegen ist das Geburtsdatum und damit das Alter des anderen Ehegatten. Weiterhin spielt es im Anwendungsbereich der zweiten Alternative auch keine Rolle, wann letztlich der Leistungsfall (durch den Tod des einen Ehegatten) der großen Witwen- oder Witwerrente eingetreten ist. In dieser zweiten Alternative ist Voraussetzung für die anspruchserhaltende Wirkung des Rentenartfaktors von 0,6 gerade nicht, dass der Tod eines Ehegatten vor dem 1.1.2002 eingetreten ist. Gerade dieser Umstand macht den Anwendungsbereich von Abs. 1 in dieser Alternative auch künftig noch groß. In dieser Alternative hat die Vorschrift daher auch künftig noch eine große praktische Bedeutung (vgl. hierzu auch GRA der DRV zu § 255 SGB VI, Stand: 21.7.2015, Abschn. 2).
Rz. 12
Die Zuschlagsregelung (eingeführt durch das Altersvermögensergänzungsgesetz) in § 78a findet in den Fällen des § 255 Abs. 1 keine Anwendung (GRA der DRV zu § 255 SGB VI, Stand: 21.7.2015, Abschn. 2).
Rz. 13
Beispiele:
- Eheleute haben 1985 geheiratet. Der Ehemann ist 1961 und die Ehefrau 1963 geboren. Der Ehemann ist am 15.4.2002 gestorben. Es besteht wegen Kindererziehung Anspruch auf große Witwenrente. Für die Witwenrente gilt der Rentenartfaktor 0,6.
- Eheleute haben 1985 geheiratet. Beide Eheleute sind 1963 geboren. Der Ehemann ist am 15.4.2002 gestorben. Es besteht wegen Kindererziehung Anspruch auf große Witwenrente. Für die Witwenrente gilt der Rentenartfaktor 0,55.
- Eheleute haben am 1.2.2002 geheiratet. Beide Eheleute sind 1959 geboren. Der Ehemann ist am 25.3.2003 gestorben. Es besteht wegen Kindererziehung Anspruch auf große Witwenrente. Für die Witwenrente gilt der Rentenartfaktor 0,55, weil die Ehe nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde.