Rz. 7
Durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) wurde mit Wirkung zum 1.7.2022 in Abs. 1 der Begriff Mindestsicherungsniveau eingefügt.
Rz. 8
Der Begriff hat allein klarstellende Funktion (BT-Drs. 20/1680 S. 27 f. = BR-Drs. 170/22 S. 22), damit geht keine inhaltliche Änderung der Regelung einher. Wie auch in der Vergangenheit soll das Sicherungsniveau von 48 % (§ 154 Abs. 3) nicht unterschritten werden.
Rz. 9
Das Sicherungsniveau ist der Prozentsatz des durchschnittlichen Netto-Monatseinkommens (vor Steuern), den ein Ruheständler erhält, der 45 Jahre in die staatliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Im Jahr 2009 lag das Sicherungsniveau vor Steuern in Deutschland bei 52 % und sinkt seitdem, was den Gesetzgeber zur Einführung der Haltelinie im Sinne eines Sicherungsniveaus vor Steuern von 48 % bis zum Jahr 2025 veranlasst hat (vgl. weitergehend Komm. zu § 154). Dabei ist diese Haltelinie nach § 154 Abs. 3 allerdings aktuell ausdrücklich befristet bis 2025 (vgl. zum Geltungszeitraum auch Rz. 16).
Rz. 10
Nach § 255e – alte wie auch neue Fassung (ab 1.7.2022) – wird bis zum Ablauf des 1.7.2025 bei jeder Rentenanpassung auch die Einhaltung des Sicherungsniveaus vor Steuern (sog. Rentenniveau) von 48 % gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 geprüft. Das Sicherungsniveau vor Steuern bis zum Ablauf des Jahres 2025 von mindestens 48 % ist damit zwingender und unmittelbarer Bestandteil der Rentenanpassung, die durch die Niveauschutzklausel des § 154 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 255e sichergestellt ist (BT-Drs. 20/1680 S. 27 f. = BR-Drs. 170/22 S. 22).
2.2.1 Voraussetzung des Greifens der Schutzklausel
Rz. 11
Einzige Voraussetzung ist, dass sich nach der geltenden Anpassungsformel des § 68 ein aktueller Rentenwert ergibt, mit dem ein Sicherungsniveau vor Steuern von 48 % unterschritten wird. Aufgrund der Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI von 3,05 % auf 3,4 % durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) v. 19.6.2023 (BGBl. I Nr. 155) mit Wirkung zum 1.7.2023 wird bereits im Jahr 2024 mit dem Greifen der Haltelinie Steuern gerechnet (BT-Drs. 20/6869 S. 32).
2.2.2 Rechtsfolge bei Unterschreiten des Sicherungsniveau – Anpassungspflicht
Rz. 12
Wird das Sicherungsniveau von 48 % vor Steuern unterschritten, dann regelt § 255e i. V. m. § 154 Abs. 3 Satz 1 die Rechtsfolge. In diesem Fall besteht eine gesetzliche Anpassungspflicht. Der aktuelle Rentenwert ist dann so anzuheben, dass das Sicherungsniveau vor Steuern mindestens 48 % beträgt.
Rz. 13
In den Jahren, in denen die Niveauschutzklausel zur Anwendung gelangt, müssen daher die Renten stärker angepasst werden. Auf die Anhebung der Rente besteht ein Rechtsanspruch i. S. eines subjektiv einklagbaren Rechts. Dies gilt aber nur bis zur Anhebung exakt auf die Grenze von 48 %. Der Begriff "mindestens" erweitert daher den Rechtsanspruch nicht. Der Begriff ist lediglich dergestalt zu verstehen, dass das Sicherungsniveau von 48 % vor Steuern erreicht werden muss und nicht unterschritten werden darf. Der Begriff mindestens ist daher i. S. eines "nicht mehr, aber auch nicht weniger" oder eben eines "nicht weniger, aber auch nicht mehr" zu verstehen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Erhöhung über das Schutzniveau von 48 % hinaus ergibt sich damit aus § 255e nicht. Diese Gesetzesauslegung findet letztlich in § 154 Abs. 3 seine Stütze, wonach nur die gesetzliche Anordnung besteht, dass das Sicherungsniveau vor Steuern nach § 154 Abs. 3a bis zum Jahr 2025 48 % nicht unterschreiten darf. Aus der Niveauschutzklausel fließt daher keine gesetzliche Verpflichtung, das Sicherungsniveau auf über 48 % vor Steuern anzuheben. Der Gesetzgeber hat hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass als Grenze für das Sinken das beschriebene Sicherungsniveau vor Steuern von 48 % eingeführt wird (BT-Drs. 19/4668 S. 37, vgl. auch S. 33, 34 – Gesetzesbegründung zu § 154 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3a).
Rz. 14
Sinn der Haltelinie ist es, den Folgen des demografischen Wandels Rechnung zu tragen (vgl. auch Rz. 2b). Die in die Rentenanpassungsformel eingefügten Faktoren, die die tiefgreifenden demografischen Veränderungen berücksichtigen, wirken weiter ("Riester-Faktor", Nachhaltigkeitsfaktor; vgl. auch GRA der DRV zu § 255e SGB VI, Stand: 8.9.2023, Anm. 2). Dies führt tendenziell dazu, dass die Renten weniger stark steigen als die Löhne. Der Gesetzgeber hat diesen Umstand zur Begründung der Einführung dieser Haltelinie ausdrücklich herangezogen (BR-Drs. 425/18 S. 33 = BT-Drs. 19/4668 S. 36, 37).
Rz. 15
Die Haltelinie vor Steuern wird damit unmittelbarer Bestandteil der Rentenanpassung (BT-Drs. 19/4668 S. 36).
2.2.3 Geltungszeitraum
Rz. 16
Die Haltelinie nach § 255e gilt (vorerst) bis 2025. Das Sicherungsniveau ist i. S. d. § 154 Abs. 3 nur noch bis 2025 gesichert (§ 255e Abs. 1). Der Gesetzgeber wird die dauerhafte Sicherung des Rentenniveaus vor Steuern von 48 % erst künftig angehen. Es bestand beim Erlass des Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) – mit dem im Wesentlichen der sog. Nach...