2.1.1.1 Sinn der Anwendung der Anlagen 13 und 14
Rz. 8
Sinn der Anwendung der Anl. 14 i. V. m. der Anl. 13 ist es, zu bewertende Beitragszeiten auch in solchen Fällen in Entgeltpunkte umrechnen zu können, bei denen individuelle Arbeitsverdienste nicht mehr ermittelt werden können (vgl. auch GRA der DRV zu § 256b SGB VI, Stand: 7.2.2019, Anm. 2). Dies gilt auch im Rahmen der Eingliederung von Fremdrentenberechtigten in die bundesdeutsche Rentenversicherung. In solchen Fällen werden für die Ermittlung von Entgeltpunkten die Tabellenentgelte der Anl. 14 zum SGB VI herangezogen, die jeweils höhere Tabellenentgelte vorsehen, je höher die Qualifikationsgruppe ist.
2.1.1.2 Funktion der Anlagen 13 und 14
Rz. 9
Die Anl. 13 und 14 zum SGB VI konkretisieren als inkorporierte "Untertatbestände" die Tatbestandsvoraussetzungen des § 256b Abs. 1 Satz 1. Die 5 Qualifikationsgruppen in der Anl. 13 sind gemeinsame und deshalb "ausgeklammerte" Tatbestandsmerkmale der Sätze 1 und 2 der Anl. 13; sie bilden "Untertatbestände" dieser beiden Sätze und damit "Unter-Unter-Tatbestände" des § 256b Abs. 1 Satz 1 (BSG, Urteil v. 24.7.2003, B 4 RA 61/02 R).
2.1.1.3 Regelungsinhalt der Anlagen 13 und 14
Rz. 10
Der Gesetzgeber hat den zentralen Anwendungsfall für die Glaubhaftmachung von Zeiten ab 1950 nahezu ausschließlich für Versicherte aus den neuen Bundesländern gesehen (BT-Drs. 12/405 S. 22, 128; BR-Drs. 197/91 S. 128); auch die Anl. 14 zum SGB VI beruht auf der Wirtschaftsstruktur der ehemaligen DDR. Deshalb zeichnen die Anl. 13 und 14 die tatsächliche Situation in Bezug auf Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereiche im Beitrittsgebiet wieder. Die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppe in der Anl. 13 zum SGB VI sind daher dem System der beruflichen Bildung der DDR entnommen. Der Gesetzgeber hat insoweit die vor der Wiedervereinigung maßgebende Orientierung an den Erwerbsverhältnissen der alten Bundesländer aufgegeben und stellt auf diejenigen der DDR ab. Dies vermeidet auch die Ungleichbehandlungen der Aus- und Übersiedler mit Bewohnern des Beitrittsgebiets. Eine Orientierung an den Erwerbsverhältnissen der DDR ist sachgerecht, weil die Wirtschafts- und Sozialverhältnisse der Herkunftsländer in Osteuropa eher mit denen der DDR übereinstimmten als mit denen der alten Bundesländer (vgl. BSG, Urteil v. 17.4.2008, B 13 R 99/07 R, und Urteil v. 30.7.2008, B 5a R 114/07). Für die Vertreibungsgebiete i. S. des FRG kann zwar nicht unmittelbar auf die in der jeweiligen Qualifikationsgruppe erfassten formellen Gegebenheiten der DDR abgestellt werden; die Bezugnahme auf Gegebenheiten der DDR ist vielmehr in dem Sinne zu lesen, dass an Stelle der "DDR" das jeweils betroffene Vertreibungsgebiet eingesetzt wird; maßgeblich ist, ob das Niveau der Tätigkeit materiell demjenigen eines Ausbildungsabschlusses i. S. des DDR-Rechts entspricht (instruktiv: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.7.2020, L 5 R 77/19, Rz. 28, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil v. 17.4.2008, B 13 R 99/07 R, Rz. 17).
2.1.1.4 Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 11
§ 256b Abs. 1 gilt für echte Beitragszeiten nach § 55 bzw. § 256a. Abs. 1 regelt als Generalnorm die Bewertung glaubhaft gemachter Pflichtbeitragszeiten; unabhängig vom Rechtsgrund der Glaubhaftmachung (zum Anwendungsbereich der Vorschrift vgl. auch GRA der DRV zu § 256b SGB VI, Stand: 7.2.2019, Anm. 3). Damit beinhaltet § 256b selbst keine Begriffsdefinition der Glaubhaftmachung.
Rz. 12
Der Begriff der Glaubhaftmachung wird in § 23 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG näher definiert. Eine Tatsache ist danach glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie es behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich mehr spricht als dagegen (BSG, Beschluss v. 8.8.2001 B 9 V 23/01 B; BSG, SozR 3–1500 § 160a Nr. 33, SozR 3–1500 § 170 Nr. 9).
Rz. 12a
Zu den Konsequenzen einer glaubhaft gemachten Ausübung einer versicherungspflichtiger Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und Zahlung entsprechender Beiträge für diese Beschäftigung finden sich im Rentenrecht in §§ 203, 286 Abs. 5 und 286a entsprechende Regelungen. In diesen Fällen ist die so glaubhaft gemachte Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen.
Rz. 13
Aus einer nachgewiesenen Beschäftigung lässt sich dabei nicht auch automatisch auf eine glaubhaft gemachte Entrichtung von Beiträgen schließen. Beides sind getrennt voneinander zu prüfende Tatbestandsmerkmale (vgl. BSG, Entscheidung v. 7.9.1989, 5 RJ 79/88; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.5.2013, L 18 KN 52/10, Rz. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 2.11.2012, L 3 R 308/12, Rz. 28; SG Mainz, Urteil v. 17.6.2016, S 10 R 511/14). Das Wesen der Beitragszeit ergibt sich dabei zwanglos aus § 55 Abs. 1 Satz 1, der regelt: "Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Bei...