2.1 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Abs. 1)
Rz. 11
Der Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 zunächst den Eintritt des Versicherungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung voraus (§ 43 Abs. 1 Nr. 1). Darüber hinaus muss der Versicherte in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung über eine Pflichtbeitragszeit in einem Umfang von 3 Jahren verfügen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2) und die allgemeine Wartezeit zurückgelegt haben (§ 43 Abs. 1 Nr. 3). Der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung ist in § 43 Abs. 1 Satz 2 definiert. Danach sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung ist im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung zu verstehen, der nach § 43 Abs. 2 Satz 2 vorliegt, wenn Versicherte außerstande sind, auch nur 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. hierzu Rz. 13 ff.). Demnach ist – jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes – teilweise erwerbsgemindert, wer zwar noch 3, jedoch keine 6 Stunden täglich mehr arbeiten kann. Ein Restleistungsvermögen in dem vorgenannten Umfang begründet jedoch bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit des Versicherten über den Wortlaut des Gesetzes (§ 43 Abs. 1 Satz 2) hinaus den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (vgl. hierzu ausführlich Rz. 15 bis 16), sodass teilweise Erwerbsminderung abweichend vom Gesetzeswortlaut nur in den in der Praxis seltenen Fällen besteht, in denen das Restleistungsvermögen des Versicherten auf einen täglichen Arbeitseinsatz von 3 bis unter 6 Stunden gesunken ist und er über einen seinem eingeschränkten Restleistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz verfügt (vgl. Rz. 16).
Rz. 12
Der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung kommt lediglich Lohnausgleichsfunktion zu; denn sie wird in Anwendung eines Rentenartfaktors von 0,5 (vgl. § 67 Nr. 2) lediglich in Höhe der Hälfte der Vollrente geleistet und setzt demnach im Ergebnis neben der Rentenzahlung zur Bestreitung des Lebensunterhalts die Ausübung einer (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit oder den Bezug anderer Sozialleistungen voraus.
2.2 Rente wegen voller Erwerbsminderung (Abs. 2)
2.2.1 Leistungsminderung unter 3 Stunden
Rz. 13
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2). Bei einem derart hochgradig eingeschränkten Leistungsvermögen soll der Versicherte Anspruch auf die volle Rente als volle Lohnersatzleistung haben, indem der Rentenartfaktor 1,0 in Ansatz gebracht wird (§ 67 Nr. 2 und 3).
Rz. 14
Durch die vom Gesetzgeber eingeführte Zeitgrenze von 3 Stunden wird Nahtlosigkeit zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung hergestellt. Nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III sind nämlich nur die Arbeitslosen arbeitsfähig und stehen damit den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur zur Verfügung, die in der Lage sind, mindestens 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Bezogen auf einen täglichen Arbeitseinsatz im Rahmen einer 5-Tage-Woche setzt dies täglich ein 3-stündiges Leistungsvermögen voraus. Wer hierüber nicht mehr verfügt und demnach keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchen kann, soll Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung haben. Insoweit trägt der Rentenversicherungsträger auch das volle Risiko der Vermittelbarkeit eines entsprechenden Arbeitsplatzes, weil entsprechende stundenweise Tätigkeiten nach Tarifverträgen im Regelfall nicht angeboten werden. Einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsleben entfaltet die 3-Stunden-Grenze allerdings nicht.
2.2.2 Arbeitsmarktrente
Rz. 15
Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen das krankheitsbedingt geminderte Restleistungsvermögen auf einen täglichen Arbeitseinsatz von unter 3 Stunden reduziert ist. Voll erwerbsgemindert ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch der Versicherte, der noch 3, aber keine 6 Stunden täglich mehr erwerbstätig sein kann (und der damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 nur teilweise erwerbsgemindert ist), wenn er einen seinem Restleistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-)Arbeitsplatz nicht innehat und damit arbeitslos ist (Arbeitsmarktrente; vgl. hierzu auch Rz. 2). Obwohl der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch das Ziel verfolgte, zukünftig das Risiko der Vermittlung eines Arbeitsplatzes eindeutig(er) der Arbeitslosenversicherung und das der krankheitsbedingten Erwerbsminderung klarer der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen, behält auch § 43 die von der Rechtsprechung des BSG zum (früheren) Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelte sog. konkrete Betrachtungsweise bei (BSG Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R). Diese Rechtsprechung war und ist weiterhin ...