Rz. 61
Zur Bestimmung des Kreises der einem Versicherten zumutbaren Tätigkeiten ("Verweisungsberufe") hat das BSG in ständiger Rechtsprechung die Berufe nach ihrer qualitativen Wertigkeit in verschiedene Gruppen unterteilt. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, die derselben Gruppe wie der bisherige Beruf angehört oder die der nächstniedrigeren Gruppe zuzuordnen ist. Einen gewissen beruflichen Abstieg muss der Versicherte demnach ggf. in Kauf nehmen. (Selbstverständliche) Voraussetzung ist ferner, dass gesundheitliche Gründe einer Ausübung des Verweisungsberufs nicht entgegenstehen. Ob der Versicherte allerdings auch eine entsprechende Arbeitsstelle in dem Verweisungsberuf auf dem Arbeitsmarkt erlangen kann, ist für die Feststellung der Berufsunfähigkeit grundsätzlich ohne Bedeutung.
Rz. 62
Die Arbeiterberufe untergliedern sich in die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten und schließlich des ungelernten Arbeiters (vgl. BSG, SozR 2200 Nr. 140 [5b RJ 82/85], 143 [4a RJ 39/86], 149 [4a RJ 91/86]). Zur Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters gehören Versicherte, die ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen wegen der qualitativen, insbesondere geistigen und persönlichen Anforderungen ihrer bisherigen, tatsächlich verrichteten Arbeiten deutlich überragt haben BSG, Urteil v. 25.8.1993, (13 RJ 59/92, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 34). Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion müssen wesentlich andere Arbeiten als die ihnen gegenüber weisungsgebundenen Facharbeiter verrichtet haben (BSG, a. a. O. Nr. 34); sie dürfen selbst nicht an Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis gebunden sein (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 44 [4 RJ 53/78], 145 [4a RJ 71/86]). Besonders hochqualifizierte Facharbeiter sind Versicherte, die zusätzlich zu einer mit Gesellen- oder Gehilfenprüfung abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf eine längere planmäßige spezielle weitere Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 37 [5 RJ 112/77], 103 [5a RKn 16/81], 144 [4a RJ 63/86]; BSG, Urteil v. 9.8.1995, 13 RJ 47/94).
Rz. 63
Facharbeiter sind zunächst die Versicherten, die einen Ausbildungsberuf i. S. d. § 25 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit einer Ausbildungszeit von mehr als 3 Jahren erlernt und ausgeübt haben (BSG, Urteil v. 14.5.1991, 5 RJ 82/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13 m. w. N.).
Rz. 64
Darüber hinaus ergibt sich die Facharbeitereigenschaft eines Versicherten auch aus seiner tariflichen Einstufung. Das BSG erblickt hierin ein zuverlässiges Indiz für die Qualität der versicherungspflichtigen Beschäftigung (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 169, 129 [5b RJ 88/84]; BSG, a. a. O. Nr. 13; BSG, Urteil v. 22.10.1996, 13 RJ 35/96). Dabei ist dem Tarifvertrag unter zwei Gesichtspunkten Bedeutung beizumessen: Soweit der nach Qualitätsstufen geordnete Tarifvertrag den Beruf bzw. die Tätigkeit des Versicherten abstrakt qualifiziert und im Lohngruppenverzeichnis ausdrücklich aufführt, kann i. d. R. davon ausgegangen werden, dass diese Einstufung auf der Qualität der vom Versicherten verrichteten Arbeiten beruht. Ist demnach der Beruf des Versicherten einer Facharbeiterlohngruppe zugeordnet, so ist hieraus regelmäßig zu schließen, dass der Versicherte auch als Facharbeiter i. S. d. Mehrstufenschemas zu beurteilen ist (BSG, a. a. O.; BSG, Urteil v. 22.10.1996, 13 RJ 35/96; Urteil v. 25.8.1993, 13 RJ 21/92).
Rz. 65
Enthält dagegen der Tarifvertrag keine ausdrückliche Zuordnung der konkreten Tätigkeit des Versicherten zu einer Lohngruppe, so kommt der tarifvertraglichen Einstufung des Versicherten in eine bestimmte Lohngruppe (die i. d. R. nur eine abstrakt-generelle Tätigkeitsbeschreibung enthält) nur eine widerlegbare Indizwirkung hinsichtlich der Wertigkeit des Berufs des Versicherten zu. Die Indizwirkung ist sowohl hinsichtlich zu hoher wie auch zu niedriger Einstufung durch den Arbeitgeber widerlegbar. Ein Anlass zu Ermittlungen besteht jedoch nur dann, wenn sich deutliche Hinweise für Fehler bei der tariflichen Einstufung ergeben (BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 32 [13 RJ 23/92], 40 [3 BJ 261/92]).
Rz. 66
Weiter sind auch diejenigen als Facharbeiter zu beurteilen, die in einem anerkannten Ausbildungsberuf gearbeitet haben, ohne die vorgeschriebene Ausbildung und Prüfung absolviert zu haben, wenn sie sich die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Gelernten – auch in theoretischer Hinsicht – durch die praktische Tätigkeit angeeignet haben. Erforderlich ist, dass der Versicherte den Beruf in seiner ganzen Bandbreite beherrscht und somit in der Lage ist, sich auf dem Arbeitsmarkt auch im Vergleich mit gelernten Facharbeitern wettbewerbsmäßig zu behaupten (BSG, 5 RJ 5/88, SozR 2200 § 1246 Nr. 168; 5 RJ 49/88, SozR 2200 § 1246 Nr. 169).
Rz. 67
Als Facharbeiter ist schließlich auch der Versicherte anzusehen, der...