Rz. 12
Durch Abs. 2 Satz 2 wird – ebenso wie in § 43 Abs. 3 für die Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung und in § 240 Abs. 2 für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit – vom Grundsatz her gesetzlich klargestellt, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage für den Versicherungsfall der verminderten Berufsfähigkeit i. S. d. Abs. 2 Satz 1 ohne Bedeutung sein soll. Aufgrund dieser Bestimmung, die durch das 2. SGB VI-ÄndG (vgl. Rz. 1) aus redaktionellen Gründen zur Angleichung des § 45 an die gleichzeitig vorgenommene gleichlautende Ergänzung des § 43 Abs. 2 in seiner bis zum 31.12.2000 gelten Fassung (seit dem 1.1.2001 geregelt in § 43 Abs. 3 und § 240 Abs. 2) führte, ist es unerheblich, ob der leistungsgeminderte Versicherte eine in Betracht kommende (knappschaftliche) Verweisungstätigkeit innehat oder ob ihm ein entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann. Das Risiko der Vermittelbarkeit eines leidensgerechten Arbeitsplatzes trägt – jedenfalls bei noch vollschichtig leistungsfähigen Versicherten (vgl. insoweit die Komm. zu § 43) – nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Diese Regelung steht jedoch dem Anspruch auf Rente auch vollschichtig leistungsfähiger Versicherter in den von der Rechtsprechung entwickelten sog. Katalogfällen (vgl. Komm. zu § 43), bei denen von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes mit der Folge der Begründetheit des Rentenanspruchs auszugehen ist, nicht entgegen. Zu den Katalogfällen gehören als Fallgruppe auch Verweisungstätigkeiten, die auf sog. Schonarbeitsplätzen ausgeübt werden. Hierbei handelt es sich um Arbeitsplätze, die nur leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebs vorbehalten bleiben, also nur betriebsintern besetzt werden und deshalb für Betriebsfremde nicht zur Verfügung stehen (vgl. BSG, SozR 2600 § 46 Nr. 1; SozR 2200 § 1246 Nr. 86; Nr. 101; BSGE 56 S. 64; vgl. auch Komm. zu § 43).
Kann ein Versicherter unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens nur noch eine für ihn in Betracht kommende Verweisungstätigkeit verrichten, bei der es sich um einen Schonarbeitsplatz in diesem Sinne handelt, und hat er einen solchen Arbeitsplatz nicht inne, dann ist ihm der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen, weil ihm ein derartiger Arbeitsplatz als Betriebsfremder nicht vermittelt werden kann. In diesen Fällen ist der Arbeitsmarkt entgegen dem Wortlaut des Gesetzes sehr wohl zu berücksichtigen. Diese Rechtsprechung entfaltet für ehemals knappschaftlich Versicherte, die abgekehrt sind, d. h. nicht mehr im Bergbau beschäftigt sind, im Rahmen der Prüfung ihrer Verweisung auf knappschaftliche Arbeiten insoweit Bedeutung, als Unternehmen des Steinkohlebergbaus seit 1983 keine Einstellungen mehr vornehmen, und Arbeitsplätze, die auch für leistungsgeminderte Beschäftigte geeignet sind, nur noch betriebsintern besetzt werden. Externe haben deshalb hinsichtlich derartiger Schonarbeitsplätze keine Einstellungschance, so dass ihnen der Arbeitsmarkt verschlossen und von verminderter Berufsfähigkeit i. S. d. Abs. 2 auszugehen ist, auch wenn sie hypothetisch noch eine wirtschaftlich gleichwertige knappschaftliche Beschäftigung bewältigen könnten (vgl. BSG, SozR 3 – 2600 § 1276 Nr. 3 und § 45 Nr. 2).
Solange noch ein Beschäftigungsverhältnis bei einem Unternehmen des Steinkohlebergbaus besteht, ist hingegen davon auszugehen, dass möglicherweise eine schlechte, aber – im Hinblick auf auch betriebsübergreifende Arbeitsplatzbesetzungen – noch eine durchaus reale Chance der Vermittelbarkeit einer in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit besteht, auch wenn derartige Arbeitsplätze besetzt sind. Die Arbeitsmarktlage ist dann nicht zu berücksichtigen (LSG NRW, Urteil v. 11.1.2005, L 18 KN 54/03).