2.1.8.1 Überblick
Rz. 53
Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 durch das Bürgergeld-Gesetz v. 16.12.2022 (BGBl. I S. 2328) als Leistung für hilfebedürftige (§ 9 SGB II) erwerbsfähige Leistungsberechtigte eingeführt; es ersetzt das bisherige Arbeitslosengeld II. Zeiten des Bezuges von Bürgergeld an Leistungsberechtigte i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II kommen somit frühestens für Zeiten ab 1.1.2023 als Anrechnungszeiten in Betracht.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Anrechnungszeiten für Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2022 ergeben sich nunmehr aus § 252 Abs. 10 (i. d. F. ab 1.1.2023).
Mit Wirkung zum 1.1.2023 ist eine Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen anzuerkennen:
- tatsächlicher Bezug von Bürgergeld,
- Zuordnung des Versicherten zum Personenkreis der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II,
- kein Ausschlussgrund i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HS 2 Buchst. a oder b.
Das durch das Bürgergeld-Gesetz mit Wirkung zum 1.1.2023 im SGB II eingeführte Bürgergeld umfasst gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II im Einzelnen
- den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II),
- Mehrbedarfe (z. B. für werdende Mütter oder Alleinerziehende, § 21 SGB II),
- Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II).
Voraussetzung für die Anerkennung einer Bürgergeldbezugszeit als Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 ist der tatsächliche Bezug dieser Leistung. Bei Wegfall des Bürgergeldes für einen zurückliegenden Zeitraum (z. B. bei Aufhebung des Leistungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 48 SGB X) endet die Anrechnungszeit (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) ebenfalls mit dem tatsächlichen Wegfall des Bürgergeldes. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Anspruch auf Bürgergeld aufgrund der Bewilligung einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (z. B. einer Rente wegen voller Erwerbsminderung) rückwirkend entfällt. Abweichend von diesem Grundsatz kommt die Anerkennung einer Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X für den Zeitraum eines Rentenbezuges, für den nach den Vorschriften des SGB X ein Erstattungsanspruch aus der Rentennachzahlung besteht, gleichwohl in Betracht.
Die Anerkennung von Bürgergeldbezugszeiten als Anrechnungszeit setzt im Übrigen keine zeitgleiche Arbeitslosigkeit i. S. d. § 138 SGB III voraus. Dies hat zur Folge, dass Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 auch berücksichtigt werden können, wenn neben dem Bezug von Bürgergeld eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung und einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 15 Std. ausgeübt wird (sog. Ein-Euro-Jobs).
Weitere Voraussetzung für die Anerkennung einer Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass ein Versicherter Bürgergeld als "erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II" bezieht. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte in diesem Sinne (vorbehaltlich des nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossenen Personenkreises) Personen, die
- ihr 15. Lebensjahr bereits vollendet, aber ihre Regelaltersgrenze (§ 7a SGB II, §§ 35 Satz 2, 235 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2) noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Demzufolge sind Zeiten des Bezuges von Bürgergeld an nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II), die diese Leistung nur deshalb beziehen, weil sie mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nicht als Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 anzuerkennen.
Voraussetzung für die Anerkennung von Anrechnungszeiten aufgrund des Bezuges von Bürgergeld an erwerbsfähige Leistungsberechtigte i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist darüber hinaus, dass sich aus Abs. 1 Nr. 6 HS 2 Buchst. a oder b kein Ausschlussgrund ergibt.
Danach kommen folgenden Ausschlussgründe in Betracht:
- Bürgergeld wurde nur darlehensweise bezogen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HS 2 Buchst. a); z. B. bei Zahlung von Bürgergeld als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in besonderen Härtefällen gemäß §§ 7 Abs. 5, 27 Abs. 3 SGB II an Auszubildende,
- es wurden ausschließlich Leistungen mit Zweckbindung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen (z. B. Erstausstattung der Wohnung, Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HS 2 Buchst. b).
Der Bezug von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II sowie die Tatsache, dass Ausschlussgründe für die Anerkennung als Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HS 2 Buchst. a oder b nicht vorliegen, sind vom Versicherten nachzuweisen. Als Beweismittel kommen dabei grundsätzlich Meldungen des zuständigen Leistungsträgers nach § 39 Abs. 2 DEÜV i. V. m. § 193 in Betracht. Soweit in Ausnahmefällen keine Meldung erfolgt ist, kann der Nachweis auch durch geeignete Beweismittel i. S. v. § 21 SGB X (z. B. Leistungsbescheide oder Bescheinigungen des Leistungsträgers) er...