Rz. 11
Abs. 1 ist die Kernvorschrift zur Ermittlung der Höhe einer Rente. Die Regelung stellt das beherrschende Prinzip des Rentenrechts dar. Sinn der Regelung ist die Festschreibung das rentenrechtlichen Prinzips der Lebensleistung bzw. des Äquivalenzprinzips. Das prägende Prinzip der Teilhabeäquivalenz besagt, dass die Rangordnung der Rentenleistung grundsätzlich der Rangordnung der versicherten Einkommen folgt. Erreicht wird das durch die Beitragsbezogenheit, da sich die Höhe der Rente grundsätzlich am versicherten Einkommen orientiert. Wer lange hohe Beiträge zahlt, erhält regelmäßig eine höhere Rente. Ausdruck findet diese eigene Beitragsleistung in den persönlichen Entgeltpunkten (§ 66). Je höher der Beitrag, desto höher ist regelmäßig auch der Gegenwert an Rente; sog. Beitragsäquivalenz.
Rz. 12
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wiederholt entschieden, dass der "Anspruch auf Rente" Eigentumsschutz genießt. Es handelt sich um eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist, die auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und seiner Existenzsicherung dient (vgl. BVerfG, Urteil v. 28.2.1980, 1 BvL 100/78; Urteil v. 18.2.1998, 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86; vgl. stellv. auch BSG, Urteil v. 20.12.2007, B 4 RA 9/05 R, Rz. 25). Soweit der Versicherte selbst die Entgeltpunkte aus eigener Leistung erwirtschaftet hat, die Rente daher Lohnersatzfunktion oder zumindest Zuschussfunktion hat und daher sich sein Rentenanspruch aus seinem eigenen Versicherungskonto speist – wie das bei Rente wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei einer Erziehungsrente der Fall ist –, genießen die so erwirtschafteten Entgeltpunkte Eigentumsschutz nach Art. 14 GG. Bei Renten aus fremder Leistung hingegen, also bei solchen Renten, die lediglich Unterhaltsersatzfunktion haben und deren Anspruch sich aus den erwirtschafteten Entgeltpunkten des verstorbenen Versicherten speist – also aus einem fremden Versicherungskonto – scheidet ein Eigentumsschutz nach Art. 14 GG hingegen aus. Das gilt für die Witwenrente, die Witwerrente und die Halbwaisenrente (vgl. auch die Komm. zu §§ 66 und 67). Auch die Regeln über den Versorgungsausgleich stellen keinen unzulässigen Eingriff in den Schutz des Eigentums i. S. d. Art. 14 GG dar (vgl. hierzu die Komm. zu § 76).
Rz. 13
Auch solche Berufsstationen, die zu keiner Beitragsabführung führen, die der Gesetzgeber aber z. B. bei der Wartezeit berücksichtigt hat, führen nach dem Äquivalenzprinzip in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu keinen die Rente erhöhenden Zeiten. So ist die gesetzlich verfügte Abschmelzung bzw. Aufgabe der Bewertung von Zeiten schulischer Ausbildung verfassungsgemäß (vgl. hierzu die Komm. zu § 74). Die Nichtbewertung von Arbeitslosenzeiten ohne Leistungsanspruch ist daher ebenfalls verfassungsgemäß (vgl. ebenfalls die Komm. zu § 74).
Rz. 14
Flankiert wurde und wird das Äquivalenzprinzip aber auch stets durch ergänzende Elemente des sozialen Ausgleichs (vgl. insoweit bereits Rz. 3). Namentlich durch die Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten i. S. d. Abs. 3 finden sozialpolitische Aspekte Eingang in die Rentenberechnung, weil aus sozialpolitischen Erwägungen solchen Zeiten Entgeltpunkte zugeordnet werden, obwohl hierfür keine Beiträge geflossen sind (vgl. Komm. zu Abs. 3). Auch die Rente nach Mindesteinkommen (§ 262) erfolgt aus Gründen des sozialen Ausgleichs und durchbricht das Äquivalenzprinzip. Zu den Rentenelementen aus Gründen des sozialen Ausgleichs zählt auch die sog. Mütterrente – also die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten; § 56, § 249 (für Neurentner) und § 307d (der eine Zuschlagsregelung für Bestandsrentner enthält). Besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang kommt auch dem zum 1.1.2021 in § 76g eingeführten Grundrentenzuschlag zu, der das Äquivalenzprinzip ein gutes Stück aushebelt (vgl. Komm. zu § 76g).
Rz. 15
Maßgebliches Kriterium für die Höhe der Rente sind damit die im Versicherungsleben durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte aufgrund weisungsabhängiger Beschäftigung bzw. das aus einer selbständigen Tätigkeit erzielte Arbeitseinkommen. Maßgeblich werden die Begriffe bestimmt durch die Regelungen nach §§ 14 ff. SGB IV.
2.1.1 Der Begriff Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV
Rz. 16
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV setzt sich das Arbeitsentgelt zusammen aus allen laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer (weisungsabhängigen) Beschäftigung. Die Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit und damit die Abgrenzung zur Erzielung von Arbeitseinkommen i. S. d. § 15 SGB IV erfolgt nach § 7 Abs. 1 SGB IV; über die dort niedergelegten Kriterien erfolgt die Statusfeststellung im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung. Anhaltspunkte für die nicht selbständige Arbeit i. S.e. Weisungsabhängigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind dabei eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt e...