Rz. 49
Für den Fall, dass neben den Kindererziehungszeiten weitere Entgeltpunkte – z. B. durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung – erworben worden sind, werden die Entgeltpunkte bis zum Höchstwert der Anl. 2b zum SGB VI (Beitragsbemessungsgrenze) addiert. Treffen daher Kindererziehungszeiten mit freiwilligen oder Pflichtbeiträgen zusammen, werden deren Entgeltpunkte den Entgeltpunkten für Beitragszeiten hinzugerechnet; sog. additive Bewertung. In diesem Falle erhält jeder Kalendermonat mit Entgeltpunkten für sonstige Beitragszeiten zusätzlich Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten, indem die Entgeltpunkte für die sonstigen Beitragszeiten um 0,0833 je Kalendermonat, höchstens um die Entgeltpunkte bis zum Erreichen der Höchstwerte nach Anlage 2b zum SGB VI erhöht werden (vgl. zum Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit einer sonstigen Beitragszeit GRA der DRV zu § 70 SGB VI, Stand: 11.11.2024, Abschn. 6).
Rz. 50
Begrenzt wird die Anzahl der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten ggf. auf die von der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (§ 159) abgeleiteten Höchstwerte der Anl. 2b zum SGB VI (Beitragsbemessungsgrenze), der die jährlichen Höchstwerte an Entgeltpunkten regelt. Diese Höchstbegrenzung ist verfassungsgemäß (BSG, Urteil v. 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R; vgl. auch Nichtannahmebeschlüsse des BVerfG v. 29.8.2007, 1 BvR 858/03 und 1 BvR 2477/06; nicht veröffentlicht). Auch im Hinblick auf die Zuschlagsregelung des § 307d, der den Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für die Bestandsrentner regelt, ist kein Verfassungsverstoß gegeben. Die Begrenzung der Bewertung zeitgleich zurückgelegter Kindererziehungszeiten und sonstiger Beitragszeiten auf die der Beitragsbemessungsgrenze entsprechenden Höchstwerte der Anlage 2b zum SGB VI ist systemimmanent und daher verfassungsgemäß. Die von dieser Regelung abweichende pauschale Begünstigung von Bestandsrentnern (§ 307d) ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt (BSG, Urteil v. 16.10.2019, B 13 R 14/18 R, in Fortführung von BSG, Urteil v. 17.12.2002, B 4 RA 46/01 R; v. 18.5.2006, B 4 RA 36/05 R, sowie v. 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R und mit Anmerkung von Lindner, NZS 2020, 468, und mit Anmerkung in SozSichplus 2019, Nr. 12, 4; so auch bereits das Berufungsgericht: Sächs. LSG, Urteil v. 24.10.2017, L 5 R 425/17; BSG, Urteil v. 16.10.2019, B 13 R 18/18 R; Parallelentscheidung zum Urteil des BSG v. 16.10.2019, B 13 R 14/18 R; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG v. 16.10.2019, B 13 R 14/18 R, wurde nicht zur Entscheidung angenommen; BVerfG, Urteil v. 30.9.2020, 1 BvR 757/20; so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 5.12.2018, L 8 R 910/17; Sächs. LSG, Urteil v. 13.11.2018, L 4 R 473/18; Sächs. LSG, Urteil v. 25.10.2018, L 4 R 321/17; die Deutsche Rentenversicherung hat die Urteile des BSG v. 16.10.2019 umgesetzt, vgl. GRA der DRV zu § 70 SGB VI, Stand: 11.11.2024, Abschn. 6 und 6.4). Zwei Vorlagebeschlüsse des SG Neubrandenburg, ob § 70 Abs. 2 Satz 2 i.V.m Anl. 2b mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (SG Neubrandenburg, Vorlagebeschluss v. 11.9.2008, S 4 RA 152/03; Vorlagebeschluss v. 12.1.2012, S 4 RA 152/03) sind jeweils vom BVerfG als unzulässig zurückgewiesen worden (BVerfG, Beschluss v. 25.11.2009, 1 BvL 9/08; BVerfG, Beschluss v. 21.9.2016, 1 BvL 6/12). Zur gleichen Rechtsfrage hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 16.12.2016, 1 BvR 287/14; vorgehend BSG, Beschluss v. 25.11.2013, B 13 R 227/13 B, das die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat; vorgehend Sächs. LSG, Urteil v. 13.5.2013, L 4 R 684/11).
Rz. 51
Die zusätzliche – also additive – Berücksichtigung von Entgeltpunkten geht auf eine Entscheidung des BVerfG v. 12.3.1996 (1 BvR 609/90 und 1 BvR 692/90) zurück. § 70 Abs. 2 i. d. F. v. 30.6.1998 (vgl. Rz. 1) sah demgegenüber in Fällen des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten mit sonstigen Beitragszeiten nur eine "Aufstockung" auf den Wert für Kindererziehungszeiten vor; diese lediglich "lückenfüllende", nicht additive Bewertung der Kindererziehungszeiten hat das BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Die Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten werden daher zu den Entgeltpunkten für andere Beitragszeiten addiert, allerdings maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 70 Abs. 2 Satz 2); Kindererziehungszeiten entfalten daher eine begrenzte additive Wirkung (BVerfG, Beschluss v. 7.4.2022, 1 BvL 3/18, Rz. 337, mit Anm. von Spellbrink, jurisPR-SozR 15/2022 Anm. 1; zur Höchstwertbegrenzung nach § 70 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Anlage 2b vgl. auch BSG, Urteil v. 26.7.2023, B 5 R 46/21 R, Rz. 27, mit Anm. von Schweitzer, NZS 2024, 436).
Rz. 51a
Zur Bewertung in der knappschaftlichen Rentenversicherung vgl. § 83 Abs. 1.
Rz. 52
Kindererziehungszeiten neben beitragsfreien Zeiten (§ 54 Abs. 4) erhalten mindestens den Wert, den sie als beitragsgeminderte Zeiten nach § 71 Abs. 2 hätten (vgl. zum Zusammentreffen von Kin...