1.1 Inhalt der Regelung

 

Rz. 2

Aus sozialpolitischen Gründen wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung (Grund- oder Vergleichsbewertung) ergebende individuelle Wert (§ 71) begrenzt, und zwar

  • gemäß § 74 für Zeiten einer beruflichen Ausbildung, der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder des Fachschulbesuches (zur Begründung vgl. BT-Drs. 15/2149 S. 19);
  • gemäß § 263 Abs. 2a für Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit (bis 1996 ebenfalls in § 74 geregelt).
 

Rz. 3

Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung – bis 31.12.2004 ebenfalls im Rahmen von § 74 (i. d. F. des WFG v. 25.9.1996) begrenzt bewertet – bleiben bei einem Rentenbeginn ab 2009, nach einer bis 2008 reichenden Übergangszeit von 4 Jahren, wertmäßig unberücksichtigt (so auch BSG, Urteile v. 19.4.2011, B 13 R 27/10 R u. a., mit Anm. von Spiolek, jurisPR-SozR 8/2012 Anm. 3, von Lindner, rv 2011 S. 228, und von Ruland, SGb 2012 S. 241; Einzelheiten hierzu vgl. § 263 Abs. 3).

1.2 Normzweck

 

Rz. 4

§ 74 und auch die seit der Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) v. 25.9.1996 (BGBl. I S. 1461, 1806) aus systematischen Gründen ausgelagerten Regelungen in § 263 – hier Abs. 2a und Abs. 3 – über die begrenzte Gesamtleistungsbewertung für Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit verfolgen dasselbe Ziel (vgl. BT-Drs. 13/4610 S. 23, 26). Sinn der Regelung(en) ist es, die Bewertung von Zeiten der beruflichen Ausbildung, der Fachschulausbildung oder der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zu begrenzen. Weitergehendes Ziel der Begrenzung der Gesamtleistungsbewertung ist es, das Versicherungsprinzip und das Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente zu stärken. Dies liegt im öffentlichen Interesse. Die Begrenzungen der §§ 74 und 263 Abs. 2a, 3 verfolgen dabei einen verfassungsgemäßen Zweck, nämlich die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung in den Grenzen des Systemversprechens im Interesse aller Versicherten und Rentner zu erhalten, zu verbessern und geänderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Die Rangstellenbewertung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug abzuschaffen, verfolgt ebenfalls einen verfassungsgemäßen Zweck, nämlich systemfremde Elemente auszuscheiden, die zur Erhaltung des Systems nicht notwendig sind (BSG, Urteil v. 5.7.2005, B 4 RA 40/03 R).

1.3 Vorgängervorschriften

 

Rz. 5

Vorgängerregelungen zur Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage bei sog. Ausfallzeiten (= heute Anrechnungszeiten) finden sich in § 1255a RVO, § 32a AVG und § 54a RKG.

1.4 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen

 

Rz. 6

Ergänzende Vorschrift zu § 74 ist § 263 – Gesamtleistungsbewertung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten. Außerdem ist § 309 Abs. 3 Satz 3 zu berücksichtigten, der abweichend von § 300 Abs. 3 bei der Neufeststellung der Rente nach § 309 Abs. 3 Satz 1 die Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 3 und des § 74 Satz 3 in der jeweils ab dem 22.7.2017 geltenden Fassung anordnet. Bei Beginn einer Rente vor dem 1.1.2009 ist die Fiktion der beruflichen Ausbildung für die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu berücksichtigen (§ 246 Satz 2).

1.5 Gemeinsame rechtliche Anweisungen der DRV

 

Rz. 7

Die Deutsche Rentenversicherung hat im Anwendungsbereich des SGB VI umfangreiche Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) geschaffen, die auch § 74 erfassen. Die GRA der DRV zu § 74 hat den Stand vom 21.3.2023 (i. d. F. des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) vom 16.12.2022 in Kraft getreten am 1.1.2023) und ist abrufbar im Internet unter der Adresse: https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/rvRecht/01_GRA_SGB/06_SGB_VI/pp_0051_75/gra_sgb006_p_0074.html (zuletzt abgerufen am 31.7.2023).

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