Rz. 12
Abs. 2 Satz 1 regelt in Ausnahme von Abs. 1 bei den Altersrenten ein generelles Ermittlungsverbot von Entgeltpunkten bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl. stellv.: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 1.9.2023, L 28 KR 432/21, Rz. 53). Bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestimmt der Eintritt der Erwerbsminderung i. S. v. §§ 43, 45, 240 – also der Eintritt des Leistungsfalls – den Zeitpunkt, bis zu dem Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1) zu ermitteln sind. Danach liegende Zeiten – von der Zurechnungszeit abgesehen – können nicht berücksichtigt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 werden daher weder für
- Beitragszeiten (und Anrechnungszeiten) – Nr. 1 noch für
- freiwillige Beiträge – Nr. 2,
die nach Eintritt des Leistungsfalls liegen, Entgeltpunkte ermittelt.
Rz. 13
Erfasst werden von dem Ermittlungsverbot zunächst Beitragszeiten und Anrechnungszeiten nach Eintritt des Leistungsfalls. Über den Wortlaut hinaus werden nicht nur auf Beitragszeiten und Anrechnungszeiten, sondern alle rentenrechtlichen Zeiten (mit Ausnahme der Zurechnungszeit) erfasst; außerdem gilt dies auch für Zuschlagsentgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung nach § 76b bzw. § 264b (mit Ausnahme der Zurechnungszeit) (GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 3). Bei der Zuordnung der Beitragszahlung gilt das auch durch § 70 Abs. 1 Satz 1 festgeschriebene Für-Prinzip, das besagt: Maßgebend ist das Durchschnittsentgelt des Kalenderjahres, für das die Beiträge bestimmt sind. Auf den Zeitpunkt, zu dem die Beiträge gezahlt wurden, kommt es gerade nicht an (vgl. im Zusammenhang mit § 75 auch GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 3.1). Sofern Einmalzahlungen i. S.d § 23b SGB IV gezahlt werden und diese lediglich aufgrund der dort getroffenen Zuordnungsregeln aus rechtlichen Gründen einem Zeitpunkt vor Eintritt des Leistungsfalls zuzuordnen sind, bleiben diese unberücksichtigt (so die zutreffende Rechtsanwendung der DRV, vgl. GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 3.1). Aufgelöstes Wertguthaben hingegen, das nicht zweckentsprechend nach § 23b Abs. 2 SGB IV verwendet werden kann, ist hingegen grundsätzlich zu berücksichtigen.
Rz. 14
Demgegenüber sind Beiträge zu berücksichtigen, die während eines Beitrags- oder Rentenverfahrens für Zeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung entrichtet wurden, sofern die Erwerbsminderung nicht bereits zu Beginn des Verfahrens vorlag (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2). Nur soweit es im Rahmen der Vergleichsbewertung (§ 73 i. d. F. des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes) um die Entgeltpunkte der letzten 4 Jahre geht, bleiben diese unberücksichtigt.
Rz. 15
Der Ausschluss erfasst auch freiwillige Beitragszahlungen nach Eintritt des Leistungsfalls. Werden allerdings freiwillige Beiträge nach Eintritt des Leistungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit, aber während eines Beitragsverfahrens oder eines Verfahrens über einen Rentenanspruch gezahlt, so ist für die Ermittlung der Entgeltpunkte unerheblich, ob es sich um laufend gezahlte oder (aufgrund einer Sondernachentrichtungsvorschrift) nachentrichtete Beiträge handelt (BSG, Urteil v. 12.5.1998, B 5/4 RA 36/97 R; BSG, Urteil v. 12.5.1998, B 5/4 RA 73/97 R). Für solche freiwilligen Beiträge, die nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit für Zeiten vorher gezahlt sind, sind daher Entgeltpunkte zu ermitteln (vgl. GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 3.2). Die freiwilligen Beiträge müssen dann allerdings innerhalb der Frist des § 197 Abs. 2 i. V. m. § 198 gezahlt werden.
Rz. 16
Im Unterschied zu freiwilligen Beiträgen gilt für Pflichtbeiträge, z. B. von Selbständigen (vgl. §§ 2, 4 Abs. 2), Folgendes: Sie sind dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie gezahlt wurden; Für-Prinzip. Auf den Zeitpunkt der Beitragszahlung kommt es insoweit nicht an.
Rz. 17
Erwerbsminderung besteht ab |
7.7.2019 |
rückständige Pflichtbeiträge nach dem KSVG (§ 2 Abs. 1 Nr. 5) werden am |
8.8.2019 |
für die Zeit vom 1.1. bis 31.7.2019 (nach-)gezahlt.
Sie sind bei der Erwerbsminderungsrente zu berücksichtigen.
Rz. 18
Ein für den Monat des Eintritts der Erwerbsminderung gezahlter Pflichtbeitrag ist – ausgehend vom Monatsprinzip (§ 122 Abs. 1) – voll zu berücksichtigen und nicht nur bis zum Tag des Versicherungsfalls (keine tageweise Aufteilung).