2.3.1 Grundsatz (Satz 1)
Rz. 57
Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift bleibt der ursprüngliche Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die bereits einer früheren Rente zugrunde lagen, für jede weitere Rente maßgebend. D.h., dass sich insoweit an den früheren persönlichen Entgeltpunkten nichts mehr ändert und der Faktor nur für bisher nicht berücksichtigte Entgeltpunkte im Rahmen der Abs. 1 und 2 neu zu bestimmen ist.
2.3.2 Begriff frühere Rente – Vorrente
Rz. 58
Der ermittelte Zugangsfaktor für Entgeltpunkte ist nur dann auch für die Folgerente zu berücksichtigen, wenn diese Entgeltpunkte bereits Grundlage einer früheren Rente – auch Vorrente – gewesen sind. Maßgebliche Vorrente ist insoweit nur die letzte vor Beginn der neuen Rente beanspruchte und ggf. gezahlte Rente (GRA der DRV zu § 77 SGB VI, Stand: 6.12.2022, Anm.5). Maßgeblich ist insoweit regelmäßig auf die zuletzt beanspruchte Rente von demselben Berechtigten abzustellen.
Rz. 59
Auch eine Rente wegen Erwerbsminderung kann eine Erstrente i. S. v. § 77 Abs. 3 Satz 1 sein, an die sich – als Folgerente – eine Altersrente anschließt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 27.1.2015, L 18 R 1087/12, Rz. 17). Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren zunächst nicht in die Regelungen zum Zugangsfaktor einbezogen. Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM-ReformG) v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) wurde § 77 dann dahingehend ergänzt, dass auch Renten wegen Erwerbsminderung nach einem Zugangsfaktor berechnet werden; gleichzeitig erhielt § 77 Abs. 3 seine (im Wesentlichen) noch heute maßgebliche Fassung. Dabei wurden § 77 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 a. F. ohne Änderung in § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 übernommen und § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 neu eingefügt. Zur Begründung der Neuregelung hieß es, die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden an diejenige der vorzeitig in Anspruch genommenen Renten wegen Alters angeglichen. Mit dieser Regelung werde Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden können, in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegengewirkt (BT-Drs. 14/4230 S. 26; instruktiv auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 27.1.2015, L 18 R 1087/12, Rz. 18).
Rz. 60
Bei Hinterbliebenenrenten hingegen für eine Witwe, einen Witwer oder eine Waise kommt es auf die zuletzt an den verstorbenen Versicherten gezahlte Rente an.
Rz. 61
Auf die Auszahlung eines monatlichen Rentenzahlbetrages kommt es nicht zwingend an; Entgeltpunkte können auch dann Grundlage einer Vorrente sein, wenn eine Rente wegen Erwerbsminderung alleine wegen der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a (vgl. auch § 313) nicht geleistet wird.
Rz. 62
Die Zahlrente ist jedoch bei mehreren Vorrenten ausschlaggebend. Konkurrieren vor Beginn der neuen Folgerente zeitgleich mehrere Vorrenten miteinander, greift grundsätzlich die Kollisionsregelung des § 89, der entweder vorsieht, dass nur die höchste Rente geleistet wird oder bei gleich hohen Renten eine Rangfolge vorgibt. In diesem Falle ist nur die zuletzt tatsächlich geleistete Rente als Vorrente zu berücksichtigen; es gilt der Grundsatz des Vorrangs des aktiven Rentenanspruchs (GRA der DRV zu § 77 SGB VI, Stand: 6.12.2022, Anm. 5).
Rz. 63
Auch wenn die Vorrente nur teilweise geleistet wurde – vgl. hierzu § 66 Abs. 3 (Teilrente) oder Abs. 4 (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) – ist die Summe aller in Anspruch genommenen Entgeltpunkte nach § 66 Abs. 1 maßgebend.
2.3.3 Folgerente – Nahtlosigkeit
Rz. 64
Bei Bezug einer Folgerente wirkt die Fortgeltung des bisherigen Zugangsfaktors auf die Folgerente unabhängig davon, wann die Folgerente in Anspruch genommen wird. § 77 Abs. 3 Satz 3 macht deutlich, dass § 77 Abs. 3 Satz 1 nicht nur Fallgestaltungen eines nahtlosen Überganges von der einen in die andere Rente erfassen soll (so ausdrücklich, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, Rz. 22 ff.; nachfolgend bestätigend; vorrangig mit Hinweis auf das Verhältnis von § 77 Abs. 3 Satz 1 zur Bestandsschutzregelung des § 88, vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R; vgl. sogleich auch unter Rz. 66 – Besitzschutz). Sofern die ältere Rechtsprechung (so insbesondere noch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.8.2005, L 1 RA 243/03, gegen das sich das LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, ausdrücklich gewandt hatte) noch forderte, dass zwischen der Vorrente und der Folgerente Nahtlosigkeit bestehen muss (zum Begriff vgl. weiter oben in der Kommentierung), so ist diese Rechtsauffassung mit der Entscheidung des BSG (Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R) überholt. Diese Auffassung war jedoch auch von Anfang an abzulehnen, sie steht im diametralen Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers (vgl. hierzu noch einmal instruktiv LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, Rz. 22).
2.3.3.1 Funktion
Rz. 65
Satz 1 hat damit Erhaltungsfunktion eines einmal festgesetzten Zugangsfaktors (so ausdrücklich auch die gesetzgeberischen Erwägungen, vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 172; zur Zielsetzung instruktiv auch BS...