1.1 Inhalt der Regelung
Rz. 3
§ 78a regelt, in welchem Umfang Witwen- und Witwerrenten (vgl. §§ 46, 243, 303) durch eine Kinderkomponente mittels eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten erhöht werden (BT-Drs. 14/4595 S. 49).
Mit dem Zuschlag soll die Minderung der Renten für Witwen und Witwer (aufgrund der Reduzierung des Rentenartfaktors ab 1.1.2002 von 0,6 auf 0,55 in der allgemeinen Rentenversicherung (bis 31.12.2004: Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung) bzw. 0,8 auf 0,7333 in der knappschaftlichen Rentenversicherung, vgl. § 67 Nr. 6, § 82 Nr. 7 und zum Übergangsrecht Rz. 8), die Kinder in den ersten 3 Lebensjahren erzogen haben, aufgefangen werden.
In welchem Umfang persönliche Entgeltpunkte zusätzlich in Betracht kommen (vgl. § 66 Abs. 1 letzter HS), hängt von der Dauer der Kindererziehung ab (Abs. 1 Satz 1 und 2).
Für jeden Monat an Kindererziehung – im Regelfall also 36 Monate für das 1. Kind – werden 0,1010 Entgeltpunkte zugrunde gelegt (Abs. 1 Satz 3). Daraus ergeben sich maximal 3,636 Entgeltpunkte (36 × 0,1010), die nach Multiplikation mit dem für große Witwen- und Witwerrenten in der allgemeinen Rentenversicherung maßgebenden Rentenartfaktor von 0,55 zu 1,9998 persönlichen Entgeltpunkten führen.
Jeder weitere Kindererziehungsmonat (also vom 2. Kind an) erhält 0,0505 Entgeltpunkte.
Rz. 4
Zunächst war vorgesehen (vgl. BT-Drs. 14/4595 S. 49), durchgängig 0,0505 Entgeltpunkte für jeden Monat an Kindererziehung gutzuschreiben (bei Erziehung eines Kindes in den ersten 3 Jahren folglich 0,9999 persönliche Entgeltpunkte: 36 × 0,0505 = 1,818 × 0,55 = 0,9999).
Um auch bei Witwen und Witwern, die nur ein Kind erzogen haben, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, ist dieser Satz vom Inkrafttreten der Vorschrift an auf 0,1010 verdoppelt worden (vgl. Rz. 2).
Rz. 5
Für die ersten 3 Monate, in denen der Witwe/dem Witwer Rente in Höhe der Versichertenrente zusteht, kommt ein Entgeltpunktezuschlag nicht in Betracht (Abs. 1 Satz 4, sog. Sterbevierteljahr).
Rz. 6
Die Regelung in Abs. 1a sieht Zuschläge an Entgeltpunkten auch dann vor, wenn Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung aus den dort näher bezeichneten Gründen nicht angerechnet werden können. Damit wurde die bisherige – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität – an die Anrechenbarkeit von Berücksichtigungszeiten anknüpfende Regelung geändert. Es kommt nunmehr ein Zuschlag auch dann in Betracht, wenn zwar Kinder erzogen wurden, aus anderen Gründen jedoch keine Berücksichtigungszeiten anzurechnen sind (vgl. BT-Drs. 17/6764 S. 21).
Rz. 7
In Abs. 2 "sind Sonderfälle mit einem für die Betroffenen begünstigten Ergebnis geregelt, in denen der Versicherte vor der Geburt des Kindes oder vor Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes stirbt. Bei später geborenen Kindern erhöht sich die Witwenrente um den Zuschlag erst nach Ablauf der zu berücksichtigenden Kindererziehung, im Regelfall also nach Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes." (BT-Drs. 14/4595 S. 49).
Rz. 8
Der niedrige Rentenartfaktor von 0,55 bzw. 0,7333 bei großen Witwen- und Witwerrenten gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht, sofern
- der/die Versicherte vor dem 1.1.2002 gestorben ist oder
- die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde und einer der Ehegatten (oder beide) zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens 40 Jahre alt war ("… vor dem 2.1.1962 geboren …", vgl. § 255 Abs. 1, § 265 Abs. 7).
In diesen Fällen ist für die Berechnung der Rente weiterhin der Faktor 0,6 bzw. 0,8 maßgebend und daher auch ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 264b Abs. 2 nicht vorgesehen. Folglich gilt § 78a ebenso wie § 255 Abs. 1, § 265 Abs. 7 nur für Todesfälle ab 1.1.2002 unter der Voraussetzung, dass beide Ehegatten nach dem 1.1.1962 geboren sind.
Rz. 9
Die Regelung in Abs. 3 stellt sicher, dass es nicht zu Doppelleistungen von Zuschlägen kommen kann.
Rz. 10
Sofern die Witwen- bzw. Witwerrente nach Anwendung von § 78a höher ist als die Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. die Vollrente wegen Alters des/der Verstorbenen, ist der Entgeltpunktezuschlag entsprechend zu mindern (§ 88a).
1.2 Normzweck
Rz. 11
Der Sinn der Regelung folgt dem Sinn des zugrundeliegenden Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung zum 1.1.2002) insgesamt. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Altersvermögensgesetz 3 wesentliche Ziele: Erstens sollte die Rentenversicherung auch langfristig für die jüngere Generation bezahlbar bleiben und dennoch im Alter einen angemessenen Lebensstandard sichern. Zweitens sollte mit der damit verbundenen Beitragssatzstabilisierung eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung und zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland geschaffen werden. Und drittens sollte das berechtigte Vertrauen der Rentnerinnen und Rentner und der rentennahen Jahrgänge in ihre erworbenen Ansprüche geschützt bleiben. Zur Sicherstellung dieser Ziele hat der Gesetzgeber ausdrücklich...