Rz. 10
Soweit als Vorrente eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen worden ist, ergibt sich der Besitzschutz für persönliche Entgeltpunkte aus Abs. 1 Satz 2. Voraussetzungen für die Anwendung dieser Besitzschutzregelung sind:
- der tatsächliche Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder einer Erziehungsrente,
- das Ende des Bezuges dieser Rente wegen Wegfalls der Leistungsvoraussetzungen und
- der Beginn einer weiteren Versichertenrente innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Wegfall der Vorrente.
Rz. 11
Abs. 1 Satz 2 setzt also neben dem Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder einer Erziehungsrente auch das Ende des Bezuges einer solchen Rente voraus. Die Besitzschutzregelung ist somit nicht anzuwenden, wenn z. B. neben einem Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erziehungsrente Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente gemäß §§ 36, 37, 38, 40, 236 bis 238 besteht. In diesen Fällen ist nach § 89 Abs. 1 Satz 1 die höhere Rente zu leisten. Bei gleich hohen Renten gilt die Reihenfolge des § 89 Abs. 1 Satz 2.
Die Besitzschutzregelung des Abs. 1 Satz 2 ist jedoch einschlägig, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber nicht mehr vorliegen (z. B. wegen Erreichens der Regelaltersgrenze, Besserung des Gesundheitszustandes, Wegfall der Kindererziehung) und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten
- eine Altersrente (vorzeitige Altersrente oder Regelaltersrente) oder
- erneut eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung oder eine Erziehungsrente
zu leisten ist.
Eine Rente gilt hierbei auch dann als "bezogen", wenn sich aufgrund von Anrechnungsvorschriften kein laufender Rentenzahlbetrag ergibt.
Rz. 12
Soweit in unmittelbarem Anschluss an eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2) ein Wechsel zu einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1) erfolgt, ist Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich nicht einschlägig. Dies muss schon deshalb gelten, weil bei Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Regel (abgesehen von den Fällen einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs. 2) zeitgleich ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bestanden hat, der nur wegen des Regelungsinhalts des § 89 Abs. 1 Satz 1 als niedrigere Rente nicht zur Auszahlung gelangt ist. Bei Wegfall der Rente wegen voller Erwerbsminderung ergibt sich damit für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung kein neuer Rentenbeginn, weil der Rentenanspruch ununterbrochen bestanden hat. Eine Neuberechnung von persönlichen Entgeltpunkten nach § 66 Abs. 1 Satz 1 findet in diesen Fällen somit nicht statt, so dass sich von vornherein kein Anwendungsfall des Abs. 1 Satz 2 ergibt.
Rz. 13
Die Berechnung der Frist von 24 Kalendermonaten, in der die Folgerente für die Anwendbarkeit des § 88 Abs. 1 Satz 2 beginnen müsste, richtet sich nach § 26 SGB X, §§ 187 bis 193 BGB.
In der Zeit vom 1.4.2015 bis zum 30.9.2019 wurde eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2) geleistet, deren Berechnung 45,0000 persönliche Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Satz 1) zugrunde lagen. Ab 1.4.2021 besteht erneut Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2, § 99 Abs. 1). Nach einer durchgeführten Neuberechnung ergeben sich nunmehr 44,0000 persönliche Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Satz 1).
Lösung:
Die Frist von 24 Kalendermonaten umfasst gemäß § 26 SGB X, §§ 187 bis 193 BGB die Zeit vom 1.10.2019 bis zum 30.9.2021. Da die Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2) ab 1.4.2021 (§ 99 Abs. 1) erneut zu leisten ist und dieser Rentenbeginn innerhalb der Frist von 24 Kalendermonaten nach dem Wegfall der Vorrente liegt, sind der Berechnung der ab 1.4.2021 zu leistenden Rente aufgrund der Besitzschutzregelung des § 88 Abs. 1 Satz 2 die für die Vorrente ermittelten höheren 45,0000 persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen.