2.1 Anwendungsbereich
Rz. 3
Unter Abs. 1 fallen nur solche Personen, die für eine Behörde handeln, d. h. als Beamte, Angestellte oder Arbeiter deren Bedienstete sind, und die für die Behörde ehrenamtlich Tätigen im staatlichen, kommunalen und sozialen Bereich, ebenso Dolmetscher und Sachverständige, die von einer Behörde in einem Verwaltungsverfahren herangezogen werden (Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 16 Rz. 4; Hissnauer, in: jurisPK-SGB X, § 16 Rz. 12; Vogelsang, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 16 Rz. 7; a. A. Mutschler, in: KassKomm. SGB X, § 16 Rz. 4). Nicht ausgeschlossen sind Personen, die als Zeugen eigene Wahrnehmungen bekunden. Die Vorschrift ist auf alle Bereiche des Verwaltungshandelns anzuwenden, sofern dieses in einem Verwaltungsverfahren abläuft. Im Gegensatz zum Prozessrecht sieht § 16 kein förmliches Ablehnungsrecht der Beteiligten vor.
2.2 Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Abs. 1
Rz. 4
Die Ausschlussgründe sind in Abs. 1 Satz 1 abschließend aufgezählt. Die dabei festgelegten Tatbestände enthalten eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Befangenheit und sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Da § 16 keine § 41 Nr. 6 ZPO vergleichbare Regelung enthält, ist die Mitwirkung im Widerspruchsverfahren bei Beteiligung an der Erstentscheidung nicht ausgeschlossen. Die Ablehnung wirkt nur im Außenverhältnis der Behörde zum Beteiligten.
Rz. 5
Welche Personen zu den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens gehören und damit vom Verwaltungsverfahren nach Abs. 1 Nr. 1 ausgeschlossen sind, ergibt sich aus § 12 (vgl. die Komm. dort). Die durch das persönliche Interesse am Ausgang des Verwaltungsverfahrens bestehende unausweichliche Interessenkollision ist zu vermeiden. Den Beteiligten gleichgestellt sind die in Abs. 1 Satz 2 genannten Personen (vgl. Rz. 11).
Rz. 6
Angehörige eines Beteiligten i. S. v. Abs. 1 Nr. 2 sind in Abs. 5 aufgezählt. Die Vorschrift soll verhindern, dass der amtlich Tätige versucht ist, seinen Angehörigen Vorteile zu verschaffen. Die Begriffe der Verwandtschaft und der Schwägerschaft in gerader Linie beurteilen sich nach den §§ 1589, 1590 BGB, wobei es auf die Gradnähe nicht ankommt. Die Eigenschaft als Angehöriger bleibt auch dann bestehen, wenn die Ehe, Lebenspartnerschaft oder Schwägerschaft nicht mehr besteht, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist und die häusliche Gemeinschaft zwar nicht mehr besteht, die Personen aber weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Abs. 5 Satz 2, vgl. Rz. 16). Der Begriff "häusliche Gemeinschaft" setzt im Regelfall das Zusammenleben in einem Hausstand voraus (BSG, Urteil v. 16.8.1973, 3 RK 63/71, BSGE 36 S. 117).
Rz. 7
Für den Ausschluss nach Abs. 1 Nr. 3 genügt es, dass der Bedienstete der Behörde für den Beteiligten allgemein vertretungsbefugt ist, sei es auf Grund Gesetzes oder privatrechtlicher Vollmacht. Als gesetzliche Vertreter kommen u. a. in Betracht Eltern, Vormund oder Pfleger für einen Beteiligten, ferner die gesetzlichen Vertreter und besonders Beauftragten juristischer Personen und Vereinigungen i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 3, auch die nach § 13 gewillkürten Bevollmächtigten und Beistände sowie der nach § 15 von Amts wegen bestellte Vertreter, nicht hingegen der nach § 14 bestellte Empfangsbevollmächtigte. Die Vertretungsbefugnis muss sich nicht auf das konkrete Verwaltungsverfahren beziehen, auch eine allgemeine Vertretungsbefugnis kann zu Interessenkollisionen führen, sofern sie zur Vertretung im konkreten Verwaltungsverfahren berechtigt. Nach Beendigung der Stellung als Vertreter oder Beistand ist Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 nicht mehr einschlägig, es sind aber Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 17 zu prüfen. Eine Vertretungsbefugnis allein für ein bestimmtes anderes Verwaltungsverfahren führt hingegen nicht zur Ausschließung.
Rz. 8
Nach Abs. 1 Nr. 4 ist auch der Angehörige des Vertreters eines Beteiligten ausgeschlossen. Voraussetzung für diesen Fall ist, dass der Vertreter den Beteiligten im Verwaltungsverfahren auch vertritt. Auf den Angehörigen des Beistands eines Beteiligten ist die Vorschrift nicht entsprechend anzuwenden, hier kommt nur § 17 in Betracht.
Rz. 9
Wer als Behördenbediensteter zugleich in einem abhängigen Arbeitsverhältnis (vgl. § 7 SGB IV) zu einem Beteiligten steht, fällt unter den Ausschließungsgrund des Abs. 1 Nr. 5. Ein Werkvertrag führt nicht zum Ausschluss; denn abgestellt wird nicht auf eine freiberufliche, sondern nur auf eine abhängige Tätigkeit; hier ist jedoch § 17 zu prüfen (Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 16 Rz. 11; Lang, in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, § 16 Rz. 16; a. A. Hissnauer, in: jurisPK-SGB X, § 16 Rz. 19; Vogelsang, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 16 Rz. 22). Daneben ist auch ausgeschlossen, wer – wenn auch unentgeltlich und ehrenamtlich – als Mitglied eines Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs beim Beteiligten tätig ist. Der Ausschlussgrund nach Abs. 1 Nr. 5 entfällt, sobald der Betroffene sein Beschäftigungsverhältnis oder seine Organtätigkeit aufgegeben hat. Der Arbeitgeber eines Beteiligte...