2.1 Anwendungsbereich
Rz. 3
§ 18 regelt, wie bzw. wann die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens eingeleitet werden kann bzw. eingeleitet werden muss.
Erst mit Beginn des Verwaltungsverfahrens stehen den Beteiligten die ihnen dazu gesetzlich eingeräumten Rechte zu. So beginnt das Einsichtsrecht frühestens mit der Einleitung des Verwaltungsverfahrens i. S. v. § 18, erfasst also nicht den davor liegenden behördeninternen Zeitraum.
2.2 Offizialprinzip und Dispositionsmaxime
Rz. 4
Die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens richtet sich zum Teil nach anderen Grundsätzen als sie für das gerichtliche Verfahren gelten. Während Rechtsschutz durch die Gerichte überwiegend im Interesse des sich in seinen Rechten verletzt fühlenden Bürgers gewährt wird, stehen beim Verwaltungsverfahren in der Form eines Amtsverfahrens, das § 18 Satz 1 als Regelfall normiert, die Wahrung des Allgemeinwohls und die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Vordergrund. Seine Einleitung und Durchführung bestimmen sich daher nach dem Offizialprinzip, während ein Sozial- und Verwaltungsgerichtsprozess von der Dispositionsmaxime beherrscht ist, d. h. das Gericht nur auf Verlangen eines Beteiligten (Kläger oder Antragsteller) tätig werden kann. Gleiches gilt auch für das Verwaltungsverfahren in der Form des Antragsverfahrens, das § 18 Satz 2 als Ausnahmefall normiert, wo ebenfalls die Interessen des Einzelnen im Vordergrund stehen. Diese Ausrichtung der Norm, die auf der Angleichung an § 22VwVfG und der dortigen Ausrichtung auf die Eingriffsverwaltung beruht, wird den Gegebenheiten des Sozialrechts nicht gerecht. Denn die Einleitung des Verfahrens ist hier grundsätzlich antragsabhängig und nur ausnahmsweise kann die Behörde hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen.
2.3 Amtsverfahren
Rz. 5
Beim Fehlen einer speziellen gesetzlichen Pflicht zur Einleitung eins Verwaltungsverfahrens liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob und wann sie ein Verfahren eröffnet (Satz 1). Sie bedarf dazu grundsätzlich keines Antrages eines Beteiligten. Mit dem Ermessen ist der Behörde ein Handlungsspielraum eingeräumt. Der einer Verwaltungsbehörde bei der Einleitung des Verwaltungsverfahrens zustehende Ermessensspielraum (in verfahrensrechtlicher Hinsicht) ist von dem der Behörde für die nachfolgende Sachentscheidung eingeräumten Ermessen (in materiellrechtlicher Hinsicht) auseinander zu halten. Nur wenn der unmittelbare Betroffene ein subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung besitzt, kann er einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch geltend machen. Zu den Einzelfällen, in denen die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden hat, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt, gehören sowohl die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach den §§ 44 ff. Versagen oder Entziehen von Leistungen nach § 66 SGB I oder Vollstreckungs- und Bußgeldverfahren.
Rz. 6
Die Behörde hat – abweichend von Satz 1 – keinen Ermessensspielraum bezüglich der Einleitung des Verfahrens, wenn sie zwar von Amts wegen und nicht auf Antrag tätig wird, sie aber aufgrund von Rechtsvorschriften von Amts wegen tätig werden muss (Satz 2 Nr. 1 1. Alternative).
Der Sozialversicherungsträger muss in diesem Fall tätig werden, sobald er vom entschädigungspflichtigen Ereignis erfährt. Die Verpflichtung zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens besteht z. B. in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 19 Satz 2 SGB IV), in der Sozialhilfe, sobald dem Leistungsträger die Notlage bekannt wird (§ 18 Abs. 1 SGB XII), für die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Rentenversicherung (§ 26 Abs. 2 SGB IV), bei der Erhebung von Beiträgen (§ 76 Abs. 1 SGB IV) und der Gewährung von Leistungen zur Hilfe zur Erziehung (§ 27 Abs. 1 SGB VIII).
2.4 Einleitung auf Antrag
Rz. 7
Keine Wahlmöglichkeit, tätig zu werden oder untätig zu bleiben, hat die Behörde auch in den Fällen, in denen das Offizialprinzip durch die Dispositionsmaxime ersetzt ist. Den sichtbaren Ausdruck dafür bildet das Antragsrecht. Anträge bedürfen grundsätzlich keiner bestimmten Form. Sie müssen lediglich in erkennbarer Weise zum Ausdruck bringen, dass von einem Antragsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Als Antrag ist mithin jede Erklärung anzusehen, durch die jemand gegenüber der zuständigen Stelle das Begehren zum Ausdruck bringt, Sozialleistungen ganz allgemein oder eine bestimmte Sozialleistung zu erhalten (BSG, Urteil v. 24.8.1955, 9 RV 352/55, ZfS 1955 S. 255; BSG, Urteil v. 26.1.2000, B 13 RJ 37/98 R, SozR 3-5910 § 91a Nr. 7). Der materiell-rechtliche Antrag auf Gewährung einer antragsabhängigen Leistung enthält zugleich den Antrag auf Durchführung des erforderlichen Verwaltungsverfahrens (BSG, Urteil v. 28.10.2009, B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr. 1).
Über gestellte Anträge muss die Behörde sachlich entscheiden, und zwar regelmäßig durch Erlass eines Verwaltungsaktes im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.
In der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung werden die Leistungen auf Antrag festgestellt, soweit sich aus ...