Rz. 6
Die Aufzählung der Beweismittel in Abs. 1 Satz 2 ist nicht abschließend, wie aus der Formulierung "insbesondere" hervorgeht. Dabei kommen vor allem die klassischen Beweismittel der ZPO und der StPO in Betracht. Aber auch elektronische Äußerungen von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen kann die Behörde einholen.
2.2.1 Einholung von Auskünften
Rz. 7
Unter Auskünfte jeder Art fallen vor allem Auskünfte (= Mitteilungen über Tatsachen oder Würdigung von Sachverhalten anhand allgemeiner Erfahrungssätze) anderer Behörden im Wege der Amtshilfe (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3) sowie Auskünfte von Privatpersonen. Ohne gesetzliche Regelung besteht grundsätzlich keine Verpflichtung privater Personen zur Auskunftserteilung. Gesetzliche Auskunftsverpflichtungen normieren z. B. §§ 98 bis 100, §§ 57, 58, 60 SGB II, § 312 SGB III, § 117 SGB XII und § 192 SGB VII. Gegenstand einer Auskunft können nur Tatsachen, nicht hingegen Rechtsfragen sein. Die Auskünfte sind an keine Form gebunden. Wenn die Auskunft erst nach eingehender Wertung und Würdigung der Tatsachen möglich ist, handelt es sich um ein Gutachten, auch wenn es von einer amtlichen Stelle erstattet wird. Bei schriftlichen Auskünften ist ihre Abgrenzung zur Zeugenaussage und zum Sachverständigengutachten fließend. Die Abgrenzung erfolgt regelmäßig danach, ob die weitere Aufklärung streitiger Tatsachen in Rede steht, was für die Annahme einer Zeugenaussage bzw. eines Sachverständigengutachtens spricht oder ob es lediglich um die Ermittlung des (unstreitigen) Verfahrensgegenstandes geht.
2.2.2 Anhörung Beteiligter
Rz. 8
Darunter ist die Anhörung zur Sachverhaltsaufklärung, welche die Behörde im eigenen Interesse für erforderlich hält, zu verstehen. Die Anhörung kann schriftlich, fernmündlich oder mündlich durch die Behörde erfolgen. Das persönliche Erscheinen kann zweckmäßig sein, wenn sich durch ein persönliches Gespräch Zweifelsfragen leichter ausräumen lassen. Eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen besteht aber nicht, sofern nicht Abs. 2 Satz 3 Platz greift. Hingegen muss die Behörde den Beteiligten (zum Begriff vgl. § 12) im Rahmen von § 24 auch anhören, wenn sie dies nicht für erforderlich hält. Beide Formen der Anhörung können zusammenfallen. Anders als nach § 24 haben die Beteiligten in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 keinen Anspruch auf Anhörung, ebenso wenig ein Recht auf Anwesenheit bei der Beweiserhebung. Die Behörde kann allerdings die Beteiligten vom Beweisaufnahmetermin benachrichtigen und ihnen gestatten, sie im Verlauf der Beweisaufnahme anzuhören oder Fragen an Zeugen bzw. Sachverständige zu richten.
2.2.3 Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen
Rz. 9
Die Vernehmung von Zeugen, sachverständigen Zeugen und Sachverständigen ist ohne besondere Formvorschriften möglich, auch durch schriftliche Äußerung. Zeugen sollen ihr Wissen über bestimmte Vorgänge bekunden und nicht irgendwelche Schlussfolgerungen aus Tatsachen ziehen; sachverständige Zeugen sind Zeugen, die ihre Wahrnehmung aufgrund besonderer Sachkunde machen. Sachverständige, die nur von der Behörde zugezogen werden können, sollen ihre besondere Sachkunde zur Verfügung stellen, aus Tatsachen konkrete Schlüsse ziehen, die Kenntnis von Erfahrungssätzen vermitteln oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen feststellen. Die Behörde ist verpflichtet, Sachverständige hinzuzuziehen, wenn die Beurteilung eines Sachverhalts besondere Sachkunde voraussetzt, die kein Angehöriger der Behörde besitzt. Eine Hinzuziehung weiterer Sachverständiger ist nur dann notwendig, wenn die Sachkunde des zugezogenen Sachverständigen nicht ausreicht oder wenn an ihr oder der Richtigkeit seiner Ausführungen Zweifel bestehen. Beteiligte kommen – wie im gerichtlichen Verfahren – als Zeugen nicht in Betracht. Im Übrigen kommen als Zeugen nur natürliche Personen in Betracht. Der Unfallversicherungsträger hat bei der Einholung eines Gutachtens § 200 SGB VII zu beachten (vgl. dazu im einzelnen BSG, Urteil v. 5.2.2008, B 2 U 8/07 R, BSGE 100 S. 25, SozR 4-2700 § 200 Nr. 1).
2.2.4 Beiziehung von Urkunden und Akten
Rz. 10
Dadurch wird der Urkundenbeweis i. S. d. §§ 415 bis 444 ZPO ermöglicht. In Betracht kommen sowohl öffentliche als auch private Urkunden. Urkunden sind alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (BSG, Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R, BSGE 8, S. 89, SozR 3-1200 § 33a Rz. 4). Urkunden und Akten im Sinne von Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 umfassen auch Geschäftsunterlagen, Entgeltverzeichnisse und Entgeltbelege von Arbeitgebern. Sammelkarte und Aufrechnungsbescheinigung sind öffentliche Urkunden i. S. v. § 418 ZPO und begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, falls nicht der Beweis der Unrichtigkeit gelingt (BSG, Urteil v. 11.7.1972, 5 RJ 455/70, Nachr. LVA Hessen 1974 S. 59). Bei Krankenpapieren ist die ärztliche Schweigepflicht zu beachten. In den von den Sozialleistungsträgern verwendeten Antragsformularen, die vom Antragsteller zu unterschreiben sind, ist eine entsprechende Einverständniserklärung vielfach vorgedruckt. Behördliche Anordnungen und Runderlasse stellen keine Urkunden dar....