2.1 Inhaltliche Bestimmtheit (Abs. 1)
Rz. 4
Die Notwendigkeit der inhaltlichen Bestimmtheit eines VA folgt schon aus dem Begriff des VA selbst. Aus dem Verfügungssatz und der Bestimmung des Adressaten muss sich eindeutig ergeben, was von wem durch den VA verlangt oder wem gegenüber etwas festgestellt wird. Ist ein inhaltlich unklarer Verfügungssatz ausgesprochen, fehlt es an einer Regelung, auf die sich die Behörde hinsichtlich der Bestandskraft (§ 39 SGB X, § 77 SGG) oder ein Beteiligter als (formelle) Anspruchsgrundlage neben dem gesetzlichen Anspruch berufen könnte. Eine solche inhaltlich unbestimmte Regelung wäre auch nicht vollstreckungsfähig. Aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips ist die inhaltliche Bestimmtheit insbesondere bei eingreifenden VA erforderlich. Die Bestimmtheit ist auch für mit dem VA verbundene Nebenbestimmungen erforderlich (vgl. Komm. zu § 32). Dem Bestimmtheitserfor dernis steht nicht entgegen, dass das Verfügte als Bitte formuliert oder die Ablehnung mit Bedauern verbunden ist oder das Schreiben nicht als Verwaltungsakt oder Bescheid deklariert ist. Das Bestimmtheitsgebot steht mit der in § 35 geregelten Begründungspflicht in einem engen inhaltlichen Zusammenhang. Jedoch umfasst das Bestimmtheitsgebot ausschließlich den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes (BSG, Urteil v. 6.2.2007, B 8 KN 3/06), da auch nur dieser in Bestandskraft erwächst (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.3.2015, L 8 R 998/10).
Rz. 5
Wie konkret dieser Verfügungssatz abgefasst sein muss, wird maßgeblich durch den Rechtsbereich bestimmt, innerhalb dessen die Regelung zu treffen ist. Insoweit lassen sich allgemeine Anforderungen an den Inhalt für die Bestimmtheit nicht aufstellen. Die Bestimmtheit kann unter bestimmten Voraussetzungen auch aus der Begründung des VA oder sonstigen den Beteiligten bekannten Umständen und dem Schriftwechsel im Verwaltungsverfahren durch Auslegung ermittelt werden, wobei die objektiven Umstände zugrunde zu legen sind, nicht das subjektive Interesse des durch eine bestimmte Auslegung dann Begünstigten. Abzustellen ist immer auf die Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (BSG, Urteil v. 10.7.2012, B 13 R 85/11 R; BSG, Urteil v. 23.8.2013, B 8SO 7/12 R). Unschädlich ist, dass der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes durch Auslegung zu ermitteln ist (BSG, Urteil v. 7.2.2012, B 13 R 85/09 R). Die Auslegung obliegt auch dem Revisionsgericht (BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 19/09 R). Inhaltliche Unklarheiten gehen i. d. R. zulasten der Behörde, da es in ihren Machtbereich fällt, eine klare und eindeutige Regelung zu treffen (BSGE 37 S. 155). Hinsichtlich des Zeitpunktes, an dem die Bestimmtheit des VA gegeben sein muss, kann nur auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Erlass des VA oder des Widerspruchsbescheides) abgestellt werden (BVerwG, NJW 1988 S. 505; Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 33 Rz. 4; zur Zulässigkeit nachträglicher Klarstellung: BVerwGE 123 S. 261; BSG, SozR 4-1200 § 48 Nr. 2).
Rz. 6
Soweit es sich um auf Antrag zu erbringende Geldleistungen handelt, reicht die Bewilligung oder Teilbewilligung unter Angabe des Geldbetrages oder der Ablehnung des Antrages "auf Leistungen nach/wegen ..." aus. Wird eine von mehreren dem Grunde oder der Höhe nach möglichen Leistungen bewilligt, ist die Art und Höhe der bewilligten Leistung (z. B. Rente wegen Alters, Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, Rente nach einer MdE, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II) anzugeben. Erforderlich ist auch die Bestimmung, ab wann und ggf. für welchen Zeitraum die Leistung bewilligt wird.
Rz. 7
Wird dem Empfänger eine Zahlungspflicht auferlegt, ist die Bestimmtheit durch die Angabe eines konkreten Zahlbetrages in Euro und des Zwecks der Zahlung gegeben. Sind allerdings mehrere Forderungen aus verschiedenen Rechtsgrundlagen gegenüber dem Bescheid-Empfänger gegeben, muss deutlich werden, für welche Forderung der Zahlungsbescheid gilt.
Rz. 8
Wird eine Sachleistung bewilligt, ist diese möglichst konkret zu benennen und ggf. auch der Beschaffungsweg über bestimmte Leistungserbringer anzugeben. Förderungs- oder Rehabilitationsleistungen sind zumindest mit dem Ziel und/oder der Zweckrichtung anzugeben, die sich nach Art, Ort und Ausgestaltung konkretisieren lassen. Wobei es – gerade bei Rehabilitations leistungen – auch zulässig ist, zunächst einen Bescheid dem Grunde nach zu erlassen und in einem späteren Bescheid Ort, Zeit und Weiteres festzulegen.
Rz. 9
Bei der Leistungsgewährung gehört zur Bestimmtheit auch der deutliche Hinweis auf die nach dem Gesetz vorgesehene oder gewollte Befristung, Bedingung oder sonstige Nebenbestimmung. Dies ist dann entbehrlich, wenn allgemein und dem Empfänger bekannt ist, dass die Leistung nur bei und wegen bestimmter Voraussetzungen gewährt wird, wie z. B. die Gewährung von Krankengeld nur bei und wegen Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlung, Erziehungsgeld nur für lebende Kinder oder Sozialhilfe nur bei Bedürftigkeit. Bei einer nicht als endgül...