Rz. 20
Die mit Wirkung ab 21.5.1996 eingeführte Regelung des Abs. 2 ermöglicht bei begünstigenden VA, die auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet sind, die Rücknahme auch mit Wirkung für die Vergangenheit. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/1534 S. 5) sollte dadurch die Möglichkeit geschaffen werden, die aus öffentlichen Mitteln zur Erfüllung eines besonderen Zwecks gewährten Leistungen bei Zwecksverfehlung zurückfordern zu können. Für den Bereich des Sozialhilferechts ist die Vorschrift nicht anwendbar. § 30 Wohngeldgesetz (WoGG) enthält gegenüber der Regelung des Abs. 2 eine gemäß § 37 SGB I abweichende und vorrangige Bestimmung.
Die zweckwidrige Verwendung von bewilligten Förderleistungen der Bundesagentur für Arbeit berührt nicht die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, nach § 47 vorzugehen (Sächs. LSG, Urteil v. 4.12.2014, L 3 AL 154/11).
Rz. 21
Mit Abs. 2 werden die überwiegenden Fälle erfasst, die bislang als Anwendungsfälle des Abs. 1 in Verbindung mit einem Widerrufsvorbehalt oder einer Auflage im VA selbst angesehen und behandelt wurden, wenn dadurch der Zweck der durch VA zugebilligten Leistung sichergestellt werden sollte. Die einschränkenden Voraussetzungen des Abs. 1 gelten in den Fällen des Abs. 2 nicht, insbesondere muss der VA keinen Widerrufsvorbehalt enthalten.
2.3.1 Zweckbestimmung (Abs. 2 Nr. 1)
Rz. 22
Die Rückforderung wegen nicht, nicht alsbaldiger oder nicht mehr möglicher Zweckverwendung ist nur bei solchen VA zulässig, die über ihren eigenen Rechtsgrund hinaus, wie Renten, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Kindergeld etc., einen besonderen Zweck haben. Darunter fallen insbesondere Sach- und Geldleistungen, die allgemein oder im Interesse eines Einzelnen diesem oder einem Dritten gewährt werden, also subventionsähnliche Leistungen und Zuschüsse zur Förderung bestimmter Personen wie Lohnkosten- oder Einarbeitungszuschüsse sowie auch Leistungen für Wohnumfeld verbessernde Baumaßnahmen.
Rz. 23
Die Regelung erfasst nicht nur Ermessensleistungen, sondern auch Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn die Bewilligung auf einen bestimmten Verwendungszweck gerichtet ist, wie bei Zuschüssen zur Kfz-Beschaffung oder für bauliche Maßnahmen. Wenn die gesetzlichen Vorschriften dafür nicht ohnehin nur die nachträgliche Kostenerstattung vorsehen, besteht i. d. R. ein Rechtsanspruch auf einen vorherigen Bewilligungsbescheid (Kostenübernahmezusage), der jedoch gleichfalls als Grundlage für den Geldleistungsanspruch beseitigt werden muss, damit die Zahlung später verweigert werden kann.
Rz. 24
Diese besondere Zweckbestimmung soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/1534 S. 8) nur dann zur Anwendung des § 47 Abs. 2 führen, wenn über den Gesetzeszweck oder den Wortlaut der Rechtsgrundlage hinaus diese Zweckbestimmung zur Verwendung der Geld- oder Sachleistung im Bescheid ausdrücklich selbst getroffen wird (vgl. zuletzt Sächs. LSG, Urteil v. 7.12.2006, L 3 AL 118/05). Es genügt hingegen nicht, dass die Zweckbestimmung aus der allgemeinen Zwecksetzung von Sozialleistungen oder nur aus der Rechtsgrundlage der Leistung folgt. Ebenso wenig genügt es, wenn der VA nur die allgemeine Zwecksetzung des Gesetzes wiederholt (BSG, Urteil v. 14.12.2000, B 11 AL 63/00 R, SozR 3-1300 § 47 Nr. 1).
Ausreichend dürfte aber sein, wenn z. B. durch und mit dem Antrag auf diese Leistung zugleich die konkrete Zweckbestimmung erfolgt und der Bewilligungsbescheid auf diese Antragsunterlagen Bezug nimmt. Zu eng erscheint dagegen die Auffassung des BSG (Urteil v. 14.12.2000, B 11 AL 63/00 R, a. a. O.), wonach es bei der Bewilligung eines laufenden Zuschusses zum Arbeitsentgelt für einen bestimmten schwerbehinderten Menschen noch der zusätzlichen Aufnahme eines "Leistungsverwendungszwecks" im VA dahin gehend bedarf, dass der Zuschuss nur zur Zahlung von Arbeitsentgelt, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen verwendet werden darf. Dies wäre inhaltlich schon eine zusätzliche Verwendungsauflage, die über den Zweck der Zuschussgewährung hinausginge. Es erscheint allerdings vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung in derartigen Fällen angebracht, die besondere Sach- und evtl. sogar personenbezogene Zweckbestimmung in den VA mit aufzunehmen. So fordert das VG Frankfurt (Urteil v. 4.11.2009, 7 K 405/09.F unter Hinweis auf Wiesner, in: v. Wulffen, SGB X, § 47 Rz. 14) ausdrücklich, dass der den Widerruf rechtfertigende Zweck in dem VA eindeutig benannt und bestimmt werden muss. Auch das Bayerische LSG (Urteil v. 21.1.2010, L 9 AL 45/07, und Beschluss v. 13.8.2009, L 8 AL 189/07; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.2.2008, 16 A 3669/02) meint, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 nicht schon alle VA erfasse, denen eine mit der jeweiligen Sozialleistung zusammenhängende Zwecksetzung zugrunde liege. Die Vorschrift knüpfe vielmehr an die im VA selbst getroffene Zweckbestimmung zur Verwendung der bewilligten Geld- oder Sachleistung an. Der den Widerruf rechtfertigende Zweck muss daher in dem VA eindeutig bestimm...