2.1 Allgemeine Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch
Rz. 5
Der Erstattungsanspruch des § 50 betrifft grundsätzlich nur die Ansprüche der Sozialleistungsträger gegenüber dem von der Rückforderung betroffenen Empfänger der Leistung, soweit diese aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis resultieren. Als Umkehrung des Rückforderungs- zum Leistungsrecht gilt der Erstattungsanspruch des § 50 immer dann, wenn die Leistung in Form oder auf der Grundlage eines VA gewährt wurde (Abs. 1). Der Erstattungsanspruch gilt aber auch bei einer Leistungsgewährung ohne VA und bei einem nur vermeintlichen und irrtümlich angenommenen öffentlich-rechtlichen Verhältnis (Abs. 2). Da es sich um einen eigenständigen Anspruch handelt, sind auf die Rückforderung die zivilrechtlichen Grundsätze des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) auch nicht ergänzend heranzuziehen (BSGE 16 S. 157). Soweit ein Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 f. SGB X besteht, gilt nach § 107 Abs. 1 der Anspruch des hinsichtlich der Sozialleistung Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger – also den Erstattungsverpflichteten – als erfüllt. Soweit die Erfüllungsfiktion reicht, schließt sie eine Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligung durch den Leistungsträger, der den Erstattungsanspruch hat, nach den §§ 44 f. und einen Erstattungsanspruch nach § 50 aus (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 2.2.2016, L 9 AS 2914/15 B).
Rz. 6
Nicht unter § 50 fallen Ansprüche des Bürgers oder sonstiger Berechtigter auf Erstattung gegenüber den Sozialleistungsträgern (z. B. nach § 13 SGB V), auf Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander und gegen sonstige Dritte (§§ 102 bis 117) und aus öffentlich-rechtlichen Verträgen. Auch Erstattungen überzahlter vorläufiger Leistungen oder Vorschüsse (§§ 42, 43 SGB I) fallen nicht unter § 50. § 26 SGB IV regelt einen eigenständigen Erstattungsanspruch für zu Unrecht entrichtete Pflichtbeiträge. Die Erstattungsregelung des § 50 und anderer sozialrechtlicher Vorschriften schließt im Allgemeinen einen auf Zivilrecht gestützten Schadensersatzanspruch aus (BSG, Urteil v. 30.1.1990, 11 RAr 87/88, SozR 3-1300 § 50 Nr. 1; Gagel, NJW 1985 S. 1872).
2.2 Erstattung nach Aufhebung eines Verwaltungsaktes (Abs. 1)
Rz. 7
Entsprechend der formalrechtlichen Ausgangslage, dass ein Leistungen gewährender Bescheid selbst und unabhängig vom Gesetz den Rechtsgrund für die erhaltene Leistung bildet, bedarf es der Aufhebung dieses VA, bevor ein Rückforderungsanspruch entstehen und ein Rückforderungsbescheid erlassen werden kann. Dabei ist der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf Sozialleistungsansprüche i. S. v. § 11 SGB I beschränkt, wie sich aus der Einfügung des Abs. 2a ergibt. Zwingend ist aber, dass ein VA erlassen worden ist, so dass z. B. ein Scheinverwaltungsakt nicht ausreicht, um ein Vorgehen gemäß § 50 Abs. 1 zu ermöglichen. Unter einem Scheinverwaltungsakt oder auch Nichtakt ist dabei eine Handlung zu verstehen, die von jemandem herrührt, der unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu behördlichem Handeln befugt ist (BSG, Urteil v. 4.9.2013, B 10 EG 7/12 R). Hierzu gehören auch erzwungene Handlungen und Scherzerklärungen. Kein Scheinverwaltungsakt, sondern ein unter § 50 Abs. 1 fallender VA liegt vor, wenn ein Behördenmitarbeiter seine Befugnisse missbraucht und in der Absicht der eigenen Bereicherung Leistungsbescheide über Elterngeld trotz nicht existierender Kinder erlässt. Hatte die Vorinstanz hier noch einen Scheinverwaltungsakt angenommen, weil ein bewusst und gewollt strafbares Handeln der Behörde nicht zurechenbar sei, so ist das BSG dem nicht gefolgt und hat unter Hinweis auf die zivilrechtlichen Regelungen über die Überschreitung der Vertretungsmacht ein der Behörde zurechenbares Verhalten und damit einen Verwaltungsakt angenommen (BSG, Urteil v. 4.9.2013, B 10 EG 7/12 R mit zustimmender Anm. Schneider-Danwitz, SGb 2014 S. 271).
§ 50 Abs. 1 ist auch die richtige Rechtsgrundlage für die Durchsetzung der Erstattung solcher Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die deshalb weitergezahlt wurden, weil gegen die rechtmäßige Rentenentziehung Rechtsbehelfe eingelegt wurden, die aufschiebende Wirkung hatten (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 30.10.2015, L 10 LW 3545/15).
Rz. 8
Eine Erstattungsforderung kann sich aus der Aufhebung eines VA nur ergeben, wenn und soweit nach § 45 Abs. 4, § 47 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Satz 2 eine Aufhebung mit Rückwirkung erfolgt oder nach anderen Rechtsvorschriften (z. B. § 49) eine rückwirkende Aufhebung vorgesehen ist. Die Anwendung des § 50 ist dabei nicht auf die Rücknahme von VA nach dem SGB X beschränkt, sondern kann sich auch aus Vorschriften des besonderen Fachrechts ergeben (zur Rückwirkung der Aufhebung von Honorarkürzungen der kassenärztlichen Vereinigungen nach den Bundesmantelverträgen und der entsprechenden Anwendung des § 50 SGB X: BSG, Urteil v. 8.2.2006, B 6 KA 12/05 R).
Rz. 9
Ist der Leistung zugrundeliegende VA rückwirkend aufgehoben, hat die Behörde ohne weiteres Ermessen den Erstattungsanspruch geltend zu machen. Auch ein Verschulden der Behörde kann dem Erstat...