2.1 Schriftform nach dem BGB
Rz. 3
Was unter Schriftform im Einzelnen zu verstehen ist regelt nicht das SGB, sondern das BGB (§ 126), dessen Vorschriften gemäß § 61 entsprechend anwendbar sind. Das heißt allerdings, dass die zwingenden Unterschiede zwischen öffentlichem und privatem Recht zu beachten sind. Jede einzelne Vorschrift des BGB ist daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit sie auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen werden kann. Die Einführung der Schriftform soll Abschluss- und Inhaltsklarheit bei dieser immer noch als atypisch angesehenen öffentlich-rechtlichen Handlungsform garantieren. Gleichzeitig kommt ihr eine Warn- und Beweisfunktion zu (BT-Drs. 7/910 S. 81). Dem Schriftformerfordernis wird nur dann genügt, wenn sich alle Vertragsbestandteile aus dem schriftlichen Vertrag ergeben (BVerwGE 106 S. 345). Ausreichend ist es aber, wenn sich Anhaltspunkte im Vertragstext finden, aufgrund derer der Vertragsinhalt durch Auslegung ermittelt werden kann (BVerwG, NVwZ 2000 S. 1285). Öffentlich-rechtliche Vorverträge unterliegen ebenso dem Formerfordernis wie Änderungen und Aufhebungen öffentlich-rechtlicher Verträge. Vom Schriftformerfordernis werden hingegen nicht bloße Vertragsangebote erfasst. Teilweise wird angenommen, dass auf die schriftliche Annahmeerklärung eines schriftlichen Vertragsangebotes stillschweigend verzichtet werden kann (BSG, SozR 4-2500 § 13 Nr. 9). Wegen der Warn- und Beweissituation kann jedoch von dem Schriftformerfordernis aller Vertragserklärungen und -inhalte nicht abgesehen werden (so auch Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 56 Rz. 4).
2.2 Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens
Rz. 4
§ 33 Abs. 3, wonach es bei einem Verwaltungsakt ausreichend ist, wenn er die erlassende Behörde erkennen lässt und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthält, ist auf öffentlich-rechtliche Verträge nicht anzuwenden (Hess. LSG, Beschluss v. 17.10.2008, L 7 AS 251/08 B ER; Krasney,in: KassKomm, SGB X, § 56 Rz. 4; Engelmann, in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, § 56 Rz. 6). Wie jeder Vertrag kommt auch der öffentlich-rechtliche Vertrag durch Abgabe zweier korrespondierender Willenerklärungen zustande (§§ 145 ff. BGB). Vom Schriftformerfordernis des § 56 SGB X sind entsprechend sowohl das Vertragsangebot als auch die zeitlich nachfolgende Vertragsannahme erfasst, weshalb es der Unterschrift beider Parteien auf der Vertragsurkunde bedarf (Krasney, a. a. O., Rz. 5). Der auf einseitige hoheitliche Handlungen zugeschnittene § 33 Abs. 3 ist deswegen auch von seinem Rechtsgedanken her auf öffentlich-rechtliche Verträge mit Blick auf den gänzlich anderen Rechtscharakter des Rechtsgeschäfts nicht anwendbar.
Gemäß § 126 Abs. 2 BGB muss die Unterzeichnung beider Vertragsparteien grundsätzlich auf derselben (Vertrags-)Urkunde vorgenommen werden, wobei es ausreicht, wenn bei gleich lautenden Urkunden die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet wird. Gemäß § 126 Abs. 2 BGB ist nicht ausreichend hingegen, wenn sich der Vertragsinhalt lediglich aus einem Briefwechsel, aus Telegrammen, Faxen oder Fernschreiben ergibt (zur elektronischen Form vgl. Rz. 5). Es ist umstritten, ob diese Erleichterung auch bei öffentlich-rechtlichen Verträgen Gültigkeit hat. Teilweise wird angenommen, dass damit der mit der Urkundeneinheit in besonderem Maße verbundenen Warn- und Beweisfunktion widersprochen würde (OVG Lüneburg, NJW 1998 S. 2921). Nach anderer Ansicht sind für Formgültigkeit schriftliche Vertragserklärungen durch Schriftwechsel, die von einem entsprechenden Bindungswillen getragen werden, ausreichend (Engelmannn, a. a. O., Rz. 7; offen gelassen BVerwGE 96 S. 326; grundlegend Neumann, NVwZ 2000 S. 1244). Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zum koordinationsrechtlichen Vertrag (BSGE 69 S. 238, 241) ist dieser Auffassung der Vorrang zu geben. Denn die Warn- und Beweisfunktion wird durch den Verzicht auf die Urkundeneinheit nicht entscheidend beeinträchtigt.
2.3 Andere Formvorschriften
Rz. 5
Aus der subsidiären Geltung des § 56 folgt, dass strengere Vorschriften über die Vertragsform, die in anderen Rechtsvorschriften (Rechtsverordnung oder Satzung, nicht jedoch Verwaltungsvorschriften) enthalten sind, auch im Verwaltungsverfahren Anwendung finden (z. B. § 311b BGB bei Grundstücksveräußerungen). Schwächere Formvorschriften, etwa dass ein mündlicher Vertragsabschluss ausreicht, sind nicht ersichtlich und auch kaum denkbar. Durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr v. 19.7.2001 (BGBl. I S. 1542) sind in vielen gerichtlichen Verfahrensordnungen Vorschriften eingefügt worden, die die Aufzeichnung als elektronisches Dokument (E-Mail) unter den Bestimmungen des Signaturgesetzes für ausreichend ansehen (z. B. §§ 106, 106a SGG). Durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322) ist zur Regelung der elektronischen Kommunikation § 36a SGB I eingefügt worden. Gemäß § 36a Abs...