2.1 Übermittlung nach Abs. 1
Rz. 3
Abs. 1 lässt Datenübermittlungen im erforderlichen Umfang zu verschiedenen Zwecken zu.
Erforderlichkeitsgrundsatz
Allen Zwecken des Abs. 1 ist gemeinsam, dass die Übermittlung erforderlich sein muss. Das Erforderlichkeitsgebot zieht sich wie ein roter Faden durch die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen und entspricht dem unmittelbar geltenden Grundsatz der Datenminimierung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO (vgl. Komm. zu § 35 SGB I).
Durch die Begrenzung auf das Erforderliche soll erreicht werden, dass sich alle Stellen auf das tatsächliche Minimum an Datenweitergabe beschränken, das zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe notwendig ist. Es soll nach dem Grundsatz gehandelt werden: so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Eine Übersendung vollständiger Beitragsübersichten, Bescheide oder Versicherungsverläufe muss daher grundsätzlich ausscheiden, da darin regelmäßig mehr Daten enthalten sind, als die empfangende Stelle für ihre Aufgabenerfüllung benötigt. Gleiches gilt grundsätzlich erst recht für die Übersendung vollständiger Akten.
2.1.1 Übermittlung an oder von Stellen nach § 35 SGB I (Nr. 1)
Rz. 4
Abs. 1 Nr. 1 ist die zentrale Befugnisregelung innerhalb des § 69. Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit der Datenübermittlung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO, vgl. die Komm. zu § 67), vor allem zwischen den Stellen nach § 35 SGB I, ist die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe. Näheres zu diesem Begriff ist zu § 67 Abs. 3 kommentiert.
Nach Abs. 1 Nr. 1 kommen drei verschiedene Alternativen in Betracht.
2.1.1.1 Für Zwecke, für die die Sozialdaten erhoben worden sind
Rz. 5
Zur Datenerhebung wird auf § 67a verwiesen. Deutlich wird in besonderer Weise der Grundsatz der Zweckbindung. Die Daten müssen u. a. auch deshalb erhoben worden sein, um sie an Dritte zu übermitteln. Ob es zur Übermittlung tatsächlich kommt, muss im Zeitpunkt der Datenerhebung nicht von vornherein bereits klar sein. Hauptanknüpfungspunkt ist vielmehr die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe. Die Vorschrift entspricht § 14 Abs. 1 BDSG a. F. und trägt dem Umstand Rechnung, dass eine zulässige Datenerhebung die Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung zur Folge hat. Ein typischer Fall von Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative ist der Datenfluss nach Maßgabe der DEÜV, also die Meldung der Arbeitgeber an die Träger der Krankenversicherung (Einzugsstellen), von dort an die Rentenversicherung und von dort wiederum an die Bundesagentur für Arbeit.
2.1.1.2 Übermittlung für eigene Aufgaben der Stelle nach § 35 SGB I
Rz. 6
Diese Fallgruppe ist die in der Praxis häufigste Anwendungsweise. Die Übermittlung von Sozialdaten ist immer dann zulässig, wenn die Aufgabe sonst nicht erfüllt werden könnte. Daher muss der Empfänger nicht selbst eine Stelle nach § 35 SGB I oder eine nach Abs. 2 gleichgestellte Stelle sein. Empfänger können auch sonstige öffentliche oder private Stellen sowie Einzelpersonen sein. Der zulässige Empfängerkreis ist praktisch nicht eingrenzbar. Er ergibt sich aus der Vielfältigkeit der Aufgaben des Sozialleistungsträgers, zu denen nicht nur die Bearbeitung von Leistungsansprüchen gehört.
Beispiele:
- Der Träger hat Schadenersatzansprüche geltend zu machen (§ 116 SGB X).
- Die Deutsche Post AG zahlt die laufenden Geldleistungen aus (§ 119 SGB VI).
- Zur Verhütung von Schäden für die Versichertengemeinschaft kann der Sozialleistungsträger sich genötigt sehen, z. B. Strafanzeige oder Anzeige bei der Gewerbeaufsicht zu erstatten.
- Bei einer Pfändung im Rahmen des § 54 SGB I ist nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses regelmäßig die Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abzugeben. Die Zulässigkeit der zu diesem Zweck zu übermittelnden Sozialdaten regelt § 71 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich.
- Eigenermittlungen des Sozialleistungsträgers können auch im Ausland erforderlich werden (z. B. ausländische Versicherungszeiten der betroffenen Person).
2.1.1.3 Übermittlung für Aufgaben einer anderen Stelle nach § 35 SGB I
Rz. 7
Hier handelt es sich um den Fall, dass eine andere Stelle nach § 35 SGB I zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB Sozialdaten benötigt. Die Aufzählung in § 35 SGB I hat abschließenden Charakter (vgl. Komm. zu § 35 SGB I).
Anderen Stellen oder Personen dürfen nicht nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative Sozialdaten übermittelt werden. Nicht unter diese Alternative fallen daher auch die nach Abs. 2 gleichgestellten Stellen. Näheres vgl. Abs. 2 (Rz. 13 ff.).
Rz. 8
Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative bietet jedoch nicht die Befugnis, dass ein Sozialleistungsträger von Amts wegen Sozialdaten an eine andere Stelle gemäß § 35 SGB I übermittelt, weil er der Ansicht ist oder Anhaltspunkte hat, dass die ihm vorliegenden Informationen für deren Aufgabenerfüllung von Interesse sein könnten. Derartige Spontanamtshilfen sind nicht zulässig. Dem steht die Amtshilfevorschrift des § 3 entgegen, die regelmäßig ein entsprechendes Amtshilfeersuchen des Datenempfängers voraussetzt.
Darüber hinaus ist der Ersterhebungsgrundsatz des § 67a zu beachten. Auch unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung im Sozialleistungsbereich ergibt sich keine Rechtfertigung für eine Spontanamtshilfe. Hier hat der Gesetzgeber bereits entsprechende Regelungen geschaffen, z. B. die Datenabgleiche nach § 52 SGB II und § 118 SGB XII. Auch § 67e SGB X bietet...