Rz. 10
Da Sozialdaten besonders schutzwürdig sind, sieht § 75 als bereichsspezifische Regelung für die Übermittlung von Sozialdaten zu Zwecken wissenschaftlicher Forschung und Planung besondere Anforderungen vor. Er regelt in Abs. 1 und 2 die Zulässigkeit und Modalitäten der Übermittlung an die Forscher und Planer und besondere Pflichten der Stellen nach § 35 SGB I. Abs. 3 enthält nochmals spezifische Anforderungen an die Übermittlung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Rz. 29, 30).
Abs. 4a erweitert die Übermittlungsbefugnis nach Abs. 1 Satz 1 (Rz. 39 ff.). Abs. 5 und 6 enthalten besondere Anforderungen, wenn die Sozialdaten an nicht-öffentliche Stellen übermittelt werden (Rz. 45, 46).
2.3.1 Abgrenzung zur Eigenforschung und -planung (§ 67c)
Rz. 11
Forschungs- und Planungsvorhaben, die die Stellen nach § 35 SGB I selbst durchführen, fallen nicht unter § 75. In diesen Fällen findet keine Übermittlung (an Dritte nach Art. 4 Nr. 10 DSGVO, vgl. die Komm. zu § 67) statt. Die Verwendung der eigenen Sozialdaten für Forschungs- und Planungszwecke ist eine Zweckänderung, die nach § 67c Abs. 2 Nr. 2 zulässig ist (vgl. die dort. Komm.). Bedient sich der Leistungsträger für die Durchführung des Vorhabens anderer Stellen oder Personen, so liegt Datenverarbeitung im Auftrag i. S. v. § 80 vor. Die Auftragsverarbeiter sind daher nach Art. 4 Nr. 10 nicht Dritte, sodass auch hier der Tatbestand der Übermittlung nicht gegeben ist.
Rz. 12
Auch in dem Falle, dass die Stelle nach § 35 SGB I die benötigten Sozialdaten nicht bereits erhoben und gespeichert hat, sondern sie zum Zwecke der Forschung und Planung erst erhebt und speichert, gilt § 75 nicht, sondern Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verwendung (Nutzung) ist § 67c Abs. 5, auf dessen vielfältige Einschränkungen hingewiesen wird (vgl. die dort. Komm.).
2.3.2 Abgrenzung zu § 69 Abs. 1 Nr. 1
Rz. 13
§ 69 Abs. 1 Nr. 1 bietet keine Übermittlungsgrundlage für die Durchführung von Forschung und Planung eines anderen Sozialleistungsträgers. Die Eigenforschung und -planung ist in § 67c Abs. 2 Nr. 2 geregelt (vgl. Rz. 11 und 12), der auf § 75 verweist. § 67c umfasst nicht die Übermittlung, sondern spricht nur von der Erhebung, Speicherung, Veränderung und Nutzung. Würde man die Übermittlung von Sozialdaten für Aufgaben eines anderen Sozialleistungsträgers zum Zweck der Planung und Forschung auf § 69 Abs. 1 Nr. 1 stützen, würde dies eine nicht gewollte Besserstellung des anderen Trägers gegenüber der Eigenforschung und -planung bedeuten. Die Übermittlung von Sozialdaten an einen anderen Träger ist daher in diesen Fällen nur nach § 75 mit seinen Restriktionen zulässig.
2.3.3 Zulässige Übermittlung (§ 75 Abs. 1 Satz 1)
Rz. 14
§ 75 kommt im Wesentlichen als Zulässigkeitsvorschrift in Betracht, wenn Sozialdaten an Personen und Stellen auch außerhalb des SGB für deren Forschungs- und Planungsvorhaben übermittelt werden sollen (vgl. Rz. 11 bis 13).
Rz. 15
§ 75 gilt ebenfalls bei Übermittlungen zwischen Sozialleistungsträgern, wenn sich das Forschungs- und Planungsziel nicht aus einer konkreten gesetzlichen Vorschrift ergibt (vgl. Rz. 13), sondern die Ergebnisse z. B. für die Durchführung künftiger Aufgaben oder der Weiterentwicklung des Rechts von Bedeutung sein können.
Rz. 16
Eine Übermittlung von Sozialdaten ist im erforderlichen Umfang zulässig, wenn es einem Vorhaben der Forschung im Sozialleistungsbereich dient oder der wissenschaftlichen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Im Rahmen der Forschung kann sowohl an eine öffentliche Stelle als auch an ein privates Institut oder auch an eine Privatperson übermittelt werden.
Rz. 17
Im Gegensatz zur Übermittlung in Forschungsvorhaben wird eine Übermittlung zu Planungszwecken begrenzt auf den Sozialleistungsbereich. Darüber hinaus ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, wenn die Planung von einer öffentlichen Stelle im Rahmen ihrer Aufgaben durchgeführt wird. Private Planung scheidet somit aus. Insoweit sind die Voraussetzungen für eine zulässige Übermittlung zu Zwecken der Planung deutlich enger gefasst als für Zwecke der Forschung.
Rz. 18
Die Übermittlung von Sozialdaten nach § 75 Abs. 1 Satz 1 ist zulässig, wenn entweder das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person nicht beeinträchtigt wird oder das öffentliche Interesse an der Forschung/Planung das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person erheblich überwiegt. Sofern eine der beiden Voraussetzungen gegeben ist, ist eine Übermittlung grundsätzlich zulässig.
Zum Begriff des schutzwürdigen Interesses wird auf die Komm. zu § 68 Rz. 13 verwiesen.
Ob eine Beeinträchtigung zu befürchten ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Kann aus den Umständen geschlossen werden, dass die betroffene Person nicht widersprechen würde, liegt keine Beeinträchtigung vor. In diesem Fall muss das öffentliche Interesse nicht mehr geprüft werden, die Übermittlung wäre unter den weiteren Bedingungen des § 75 zulässig.
Rz. 19
Sofern nicht bereits die Prüfung der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person eine Übermittlung zulässt (Rz. 18), besteht noch die Möglichkeit, dass das öffentliche Interesse an der Forschung ...