0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 86 ist mit dem SGB X v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) zum 1.7.1983 in Kraft getreten und hat seither keine weiteren Änderungen erfahren. Im Zusammenhang mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) ist § 86 unverändert neu bekanntgemacht worden. Er übernimmt den Regelungsgehalt des vorherigen § 17 Abs. 2 SGB I (aufgehoben mit Gesetz v. 4.11.1982, BGBl. I S. 1450). § 17 Abs. 2 SGB I war annähernd wortgleich mit § 86 und hatte verschiedene, bislang spezialgesetzlich geregelte Zusammenarbeitsgebote für bestimmte Leistungsträger zusammengefasst (vgl. § 59 AFG, § 1244 RVO, § 21 AVG, § 94 BSHG). Die Neufassung des § 17 Abs. 2 SGB I in § 86 erfolgte ausschließlich aus gesetzessystematischen Gründen (BT-Drs. 9/95 S. 17; Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 13.12.2018, § 86 Rz. 2).
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit § 86 verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Nachteile, die sich aus der in mehrere Leistungsträger gegliederten Sozialverwaltung ergeben können, auszugleichen. Gleichzeitig sollen auch die Nachteile vermieden werden, die aus der Aufteilung in mehrere Träger, die innerhalb eines Leistungsbereichs tätig sind (z. B. Krankenkassen, Rentenversicherungsträger), resultieren.
Rz. 3
In nahezu allen Bücher den Sozialgesetzbuches finden sich Normen, welche die Zusammenarbeit zwischen den Leistungsträgern regeln. Als spezialgesetzliche Regelungen gehen diese Bestimmungen § 86 grundsätzlich vor. § 86 ist jedoch ergänzend anwendbar.
Rz. 4
Der Inhalt des § 86 beschränkt sich nicht auf lediglich programmatische Vorgaben, sondern § 86 stellt darüber hinaus einen allgemeinen Grundsatz hinsichtlich der Pflicht der Leistungsträger zur Zusammenarbeit auf. Dieser Grundsatz ist rechtsverbindlich. Die Adressaten des § 86 sind zur Zusammenarbeit verpflichtet (Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 13.12.2018, § 86 Rz. 42; Mutschler, in: KassKomm, SGB X, Stand: 102. EL Dezember 2018, § 86 Rz. 91). Im Einzelfall bedarf der sich aus § 86 ergebende Grundsatz der Ausformung und Ausgestaltung durch die Rechtsprechung.
2 Rechtspraxis
2.1 Adressaten der Vorschrift
Rz. 5
Adressaten des § 86 sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die im SGB X genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen.
2.1.1 Leistungsträger
Rz. 6
Verpflichtet werden von § 86 vor allem Leistungsträger nach § 12 SGB I. Nach der sich aus § 12 SGB I ergebenden Legaldefinition sind Leistungsträger die in den §§ 18 bis 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten kann auf die Kommentierung zu § 12 SGB I verwiesen werden.
2.1.2 Verbände der Leistungsträger
Rz. 7
Das Gesetz enthält keine Legaldefinition des Begriffs "Verbände der Leistungsträger". Allerdings ist davon auszugehen, dass alle im Gesetz genannten Verbände auch durch § 86 verpflichtet werden. Dementsprechend müssen nicht nur öffentlich-rechtlich organisierte Verbände, sondern auch privatrechtlich organisierte, sofern diese eine eigene Rechtspersönlichkeit haben und durch Gesetz verpflichtet werden können (z. B. der Verband der Angestellten-Krankenkassen, der aus historischen Gründen privatrechtlich als eingetragener Verein organisiert ist), Adressaten der Norm sein. Eine andere Betrachtungsweise würde den Verbänden die Möglichkeit eröffnen, aufgrund der einmal getroffenen Wahl der Rechtsform im Hinblick auf die Befolgung des § 86 bevorteilt oder benachteiligt zu sein. Eine entsprechende Gesetzesauslegung erscheint daher nicht zulässig. Hierauf weist auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 25) hin.
2.1.3 Im SGB X genannte öffentlich-rechtliche Vereinigungen
Rz. 8
Das Gesetz bezeichnet als Adressaten des § 86 auch die im SGB X genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen. Hierunter versteht man alle Institutionen, die das Gesetz entsprechend bezeichnet und die auf öffentlich-rechtlichen Normen beruhen, z. B. die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. In diesem Zusammenhang sind nur öffentlich-rechtliche Vereinigungen verpflichtet, die zur Durchführung im Sozialgesetzbuch geregelter Aufgaben gebildet wurden.
§ 86 bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Zusammenarbeit von Leistungsträgern mit Dritten. Diese Materie ist vorwiegend in den §§ 97 bis 101a geregelt.
2.1.4 Arbeitsgemeinschaften
Rz. 9
Fraglich ist, ob Arbeitsgemeinschaften i. S. d. § 94 verpflichtet sind. Nach § 94 Abs. 1 können bestimmte Arbeitsgemeinschaften Verwaltungsakte zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erlassen. Entsprechende Arbeitsgemeinschaften, unter deren Dach sich Leistungsträger zusammengeschlossen haben, bzw. die von Leistungsträgern entsprechend mit der Leistungsgewährung beauftragt wurden, müssen demnach Adressat des § 86 sein. Allein durch Teilnahme an oder Übertragung von Aufgaben an eine Arbeitsgemeinschaft darf sich ein Leistungsträger nicht seinen Pflichten aus § 86 entziehen können. Auch darf der Leistungsempfänger, in dessen Interesse die Zusammenarbeit der Leistungsträger liegt, nicht dadurch benachteiligt werden, dass er seine Leistung von einer Arbeitsgemeinschaft erhält (z. B. ein Krebskranker, der Übergangsgeld des Rentenversicherungsträgers durch die Arbeitsgemeinschaft zur Krebsbekämpfung – ARGE-Krebs – bezie...