2.1 Ärztliche Untersuchungen und psychologische Eignungsuntersuchungen (Abs. 1)
Rz. 3
Regelungsgegenstand des § 96 Abs. 1 sind nur die von Sozialleistungsträgern veranlassten Untersuchungsmaßnahmen. Diese müssen Antwort auf die Frage geben, ob die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung vorliegen. Andere Untersuchungsergebnisse (z. B. ärztliche Entlassungsberichte) werden nicht von § 96 erfasst. Grundsätzlich gehören auch nicht Gutachten, die nach Aktenlage, also ohne vorherige Untersuchung angefertigt wurden, zum Regelungsgehalt des § 96. Auch Untersuchungen, die zwar im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchgeführt wurden, aber nicht von einem Sozialleistungsträger veranlasst wurden, werden nicht von § 96 erfasst. Ärztliche Untersuchungen i. S. d. § 96 dienen der Feststellung des Befindens eines Patienten im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Sozialleistung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Sie müssen durch einen Arzt erbracht werden.
Rz. 4
Auch gilt § 96 nicht für psychologische Untersuchungen, die keine Eignungsuntersuchungen sind.Bei Eignungsuntersuchungen handelt es sich vorwiegend um Untersuchungen der praktischen Befähigung sowie der seelischen und geistigen Eignung und des Persönlichkeitsbildes im Hinblick auf die Berufswahl und Berufsreife, für die Fortsetzung des Schulbesuchs, für die Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie für die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen und für die berufliche Eingliederung von schwer vermittelbaren Personen wie auch der Beurteilung des Leistungsvermögens behinderter Menschen für den allgemeinen Arbeitsmarkt und die Tätigkeit in Werkstätten für behinderte Menschen (vgl. auch Sehnert, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 12/2011, § 96 Rz. 5). Diese Untersuchungen dienen regelmäßig der Aufgabenerfüllung der Bundesagentur für Arbeit sowie des Rentenversicherungsträgers, soweit eine berufliche Rehabilitation durchgeführt werden soll.
2.1.1 Grundsätze der Erhebung und Dokumentation
Rz. 5
Die Untersuchungsergebnisse sollen so erhoben und dokumentiert werden, dass sie auch bei der Prüfung anderer Sozialleistungen im Hinblick auf die Feststellung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen verwendet werden können. Dies soll sowohl für die Leistungsgewährung durch den gleichen wie auch für Leistungen eines anderen Leistungsträgers gelten.
Die Vorschrift ist als Soll-Vorschrift für den Regelfall verbindlich, gibt dem betroffenen Sozialleistungsträger aber in atypischen Fällen einen Ermessensspielraum, der es ihm ermöglicht, ggf. von dem Regelungsinhalt abzuweichen (Engelmann, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 95 Rz. 4a).
Rz. 6
(unbesetzt)
Rz. 7
§ 96 Abs. 1 Satz 2 enthält die gesetzliche Klarstellung, dass der eine Untersuchung veranlassende Leistungsträger seinen Auftrag nicht dahingehend zu formulieren verpflichtet ist, dass bereits Aspekte des Gesundheitszustands, die für die Aufgabenerfüllung anderer Leistungsträger von Belang sein könnten, mituntersucht werden müssen. Eine entsprechende Pflicht würde auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen, der hier wegen § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I zu berücksichtigen ist.
2.1.2 Gebot der Weitergabe
Rz. 8
Aus § 96 Abs. 1 Satz 3 ergibt sich der Grundsatz, dass die Leistungsträger bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialleistungen ggf. vorhandene Untersuchungsergebnisse anderer Leistungsträger verwerten sollen. Diese Untersuchungsergebnisse haben aber gegenüber dem verwertenden Träger keine Bindungswirkung. Selbstverständlich hat der zuständige Träger Tatsachenfeststellungen, die sich aus den Untersuchungsergebnissen ergeben können, bei seiner Prüfung zu berücksichtigen. Sollten die bereits festgestellten Ergebnisse nicht für die Beantwortung der Frage, ob ein Leistungsanspruch gegeben ist, ausreichen, darf der prüfende Leistungsträger weitere Untersuchungen anordnen.
2.2 Vereinbarungen der Leistungsträger untereinander (Abs. 2)
Rz. 9
Nach § 96 Abs. 2 Satz 1 haben die Leistungsträger durch Vereinbarungen sicherzustellen, dass Untersuchungen unterbleiben, soweit verwertbare Ergebnisse vorliegen. Vereinbarungen unter Leistungsträgern sollen nach § 96 Abs. 2 Satz 2 vorsehen, dass Untersuchungen nach vergleichbaren Grundlagen, Maßstäben und Verfahren vorgenommen und die Ergebnisse der Untersuchungen festgehalten werden. Entsprechende Vereinbarungen bestehen in der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaftliche Begutachtungsregeln) sowie zwischen den Rentenversicherungsträgern und der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung der tatsächlichen medizinischen und psychologischen Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit im Rahmen der Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und der Leistungsgewährung der Bundesagentur für Arbeit.
Rz. 10
§ 96 Abs. 2 berechtigt nur Leistungsträger, nicht deren Verbände, zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen. Es ist aber anerkannt, dass auch Verbände Vertragspartner der entsprechenden Vereinbarungen sein können, was daraus geschlossen wird, dass die Gesetzesbegründung einen Ausschluss der Verbände nicht erwähnt. Letztlich sind auch die Verbände die zuständigen Ansprechpartner, wenn es um den Zweck einer Vermeidung von Mehrfachuntersuchung...