Rz. 24
Der Abs. 2 des § 98 regelt die Grenzen der Mitwirkung.
2.5.1 Grenzen der Mitwirkung nach § 65 Abs. 1 SGB I (Abs. 2 Satz 1)
Rz. 25
Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 hat der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 65 SGB I das Recht, im Auskunftsverfahren wegen der Erbringung von Sozialleistungen die Auskunft bzw. seine Mitwirkung zu versagen. Dies gilt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 98 Abs. 2 Satz 1 nicht für Auskunfts- und Vorlagepflichten bezüglich der Entrichtung von Beiträgen. Hier wiegt das Interesse der Sozialversicherungsträger am ordnungsgemäßen Beitragseinzug höher als das Interesse des Arbeitgebers, seine Rechte gewahrt zu wissen bzw. nicht unverhältnismäßig von Sozialversicherungsträgern mit Auskunfts- und Vorlageforderungen in Anspruch genommen zu werden.
Rz. 26
Die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers oder des ihm Gleichgestellten kann unter 3 Voraussetzungen entfallen:
- Der für die Auskunft erforderliche Aufwand steht in keinem Verhältnis zu der Höhe der Sozialleistung oder ihrer Erstattung.
- Aus einem wichtigen Grund kann dem Arbeitgeber die Auskunft nicht zugemutet werden.
- Der Leistungsträger kann sich die ersuchten Auskünfte aus eigenen Unterlagen oder anderweitig mit geringerem Aufwand als der Arbeitgeber selbst beschaffen.
Hierzu Näheres unter § 65 SGB I.
2.5.2 Grenzen der Mitwirkung nach Abs. 2 Satz 2
Rz. 27
Wenn die Voraussetzungen für ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 bis 3 ZPO vorliegen, kann der Arbeitgeber von diesem Recht Gebrauch machen. Das Aussage-(Auskunfts-)Verweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 bis 3 ZPO gilt sowohl im Beitrags- wie auch im leistungsrechtlichen Verwaltungsverfahren. Dieses Aussageverweigerungsrecht geht dem Recht nach § 65 SGB I vor. Es betrifft aber nicht die Vorlage von Unterlagen nach § 98 Abs. 1 Satz 3 (so auch Scholz, in: KassKomm, SGB X, 103. EL März 2019, § 98 Rz. 35; Roos, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 98 Rz. 15).
Rz. 28
Das Recht der Aussageverweigerung begrenzt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Mitwirkung. Denn diese Mitwirkungspflicht findet dort ihre Grenze, wo der Arbeitgeber (bei Kapitalgesellschaften der vertretungsberechtigte Geschäftsführer oder Vorstand) Gefahr laufen würde, sich selbst oder einen nahen Angehörigen durch seine Aussage einer Straftat oder einer mit Bußgeld belegten Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen bzw. zu belasten.
Rz. 29
Nahe Angehörige sind nach § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO:
- Verlobte, Ehegatten (auch frühere Ehegatten),
- Personen, die mit dem Arbeitgeber in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind: Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Enkel/Stiefmutter, Stiefvater, Schwiegermutter, Schwiegersohn/-tochter, Gatte des Enkels/der Enkelin,
- in Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt: Bruder, Schwester, Halbbruder, Halbschwester, Neffe, Nichte, Onkel, Tante,
- in Seitenlinie bis zum zweiten Grad verschwägert: Schwager, Schwägerin.
Rz. 30
Die Beschränkungen der Auskunftspflicht (§ 65 Abs. 1 SGB I, § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) gelten nach § 98 Abs. 3 auch für Personen, die wie ein Arbeitgeber Beiträge zu entrichten haben. Neben den oben (Rz. 9) aufgeführten Personen handelt es sich hier auch um Versicherte, die anstelle des Arbeitgebers die Beiträge entrichten (z. B. Beschäftigte bei exterritorialen Arbeitgebern, Beschäftigte, die aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen die Beiträge selbst einzahlen, versicherungspflichtige Personen der Rentenversicherung, z. B. ehrenamtlich Tätige, versicherungspflichtige Selbstständige, freiwillig Versicherte). Diese Personen werden bei Zuwiderhandlungen aber nicht bußgeldpflichtig (vgl. § 98 Abs. 5 Satz 3). Dies findet seinen Grund in der mangelnden Fremdnützigkeit ihres Handelns. Durch Beitragsverkürzung verringert sich letztendlich auch der spätere Leistungsanspruch dieses Personenkreises.
Rz. 31
Arbeitgeber sind auch die Träger der geschützten Einrichtungen der behinderten Menschen nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 und 8 SGB V, § 1 Nr. 2a und b SGB VI sowie die Träger oder Organisationen der Einrichtungen des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres.
Rz. 32
Sozialleistungsträger, die aufgrund der Zahlung von Entgeltersatzleistungen Beiträge zur Renten, Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit zu zahlen haben, gehören nicht zu den gleichgestellten Personen nach § 98 Abs. 3 (vgl. auch Roos, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 98 Rz. 18; Scholz, in: KassKomm, SGB X, 103. EL März 2019, § 98 Rz. 40). Denn die Sozialleistungsträger brauchen diese Vorschrift nicht, da Auskünfte und vorzulegende Unterlagen von den auf der Gläubigerseite betroffenen Sozialleistungsträgern aufgrund § 3 nach den Regeln über die Amtshilfe verlangt werden können.