2.3.1 Übergangsleistungen
Rz. 9
Auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV finden die Rückwirkungsregelungen keine Anwendung. Dies folgt schon daraus, dass sie tatbestandlich nicht das Bestehen einer Berufskrankheit voraussetzen und anders als die von § 6 erfassten Leistungen präventiven Charakter haben (BSG, Urteil v. 7.9.2004, B 2 U 1/03 R, BSGE 93 S. 164 = USK 2004-106 = SGb 2005 S. 460, mit Anm. von Koch).
2.3.2 Rückwirkungsregelungen in § 9 Abs. 2a SGB VII
Rz. 9a
Die Rückwirkungsregelungen des § 9 Abs. 2a SGB VII gelten (nur) für die ab 1.1.2021 eingeführten "künftigen" Berufskrankheiten. Für die rückwirkende Anerkennung von Berufskrankheiten, die vor dem 1.1.2021 in der Anlage 1 zur BKV bezeichnet worden sind, gilt § 6 in der am 1.1.2021 geltenden Fassung (vgl. die Komm. zu § 218b SGB VII und § 9 SGB VII Rz. 77).
2.3.3 Rückwirkende Anerkennung der Berufskrankheiten nach Abs. 1
Rz. 9b
Die Berufskrankheiten nach Nr. 1320 (Chronisch-myeloische oder chronisch-lymphatische Leukämie durch 1,3-Butadien bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 180 Butadien-Jahren (ppm x Jahre), 1321 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 80 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre]), 2115 (Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität), 4104 (Eierstockkrebs) und 4113 (Kehlkopfkrebs) wurden durch die 4. BKVÄndV mit Wirkung zum 1.8.2017 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen.
Seit der Dritten BKV-Änderungsverordnung v. 22.12.2014 wird der Rückwirkungsregelung nicht mehr das ehemals regelmäßig praktizierte sog. Stichtagsprinzip zugrunde gelegt, wonach bei Eintritt der Erkrankung vor einem bestimmten Stichtag eine Entschädigung durch die Unfallversicherung ausgeschlossen ist. Vielmehr soll das Risiko, dass es viele Jahre dauern kann, bis eine Erkrankung nach wissenschaftlichen und rechtlichen Maßstäben als Berufskrankheit anerkannt wird, bei neuen Berufskrankheiten nicht mehr allein von einzelnen Betroffenen getragen werden. Insoweit wird mit der Regelung das Eintreten des Versicherungsfalls auf einen Zeitpunkt vor der Listenaufnahme fingiert. Hierzu gehören die Fälle, in denen die Erkrankung bereits vor der Aufnahme in die Anlage 1 eingetreten war, eine ärztliche Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige aber erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung gestellt wurde oder dem Unfallversicherungsträger der Verdacht erst nach diesem Zeitpunkt auf sonstige Weise bekannt wurde. Leistungen werden entsprechend den allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren erbracht. Dies gilt auch, wenn über eine Anerkennung in der Vergangenheit bereits durch bindende Bescheide oder rechtskräftige Entscheidungen der Unfallversicherungsträger oder der Sozialgerichte entschieden worden ist; die Regelung entspricht insoweit dem bisherigen Recht. Um einen übermäßigen Verwaltungsaufwand in solchen Fällen zu vermeiden, sind die Anerkennungen im Einzelfall von einem Antrag abhängig (BR-Drs. 410/17 S. 9).
2.3.4 Rückwirkende Anerkennung der Berufskrankheiten nach Abs. 2
Rz. 9c
Die Berufskrankheiten nach Nr. 1319 Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen), 2113 (Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen), 2114 (Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom) und 5103 (Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung) wurden durch die 3. BKVÄndV mit Wirkung zum 1.1.2015 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen. Abs. 1 enthält für diese neuen Berufskrankheiten keine Stichtagsregelungen. Daher sind unabhängig davon, wann die Krankheit eingetreten ist (vor oder nach Aufnahme in die BK-Liste) und wann das Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) in Gang gekommen ist, stets die Voraussetzungen nach dem jeweiligen BK-Tatbestand zu prüfen. Leistungen können rückwirkend für maximal 4 Jahre bewilligt werden.
2.3.5 Rückwirkende Anerkennung der Berufskrankheiten nach Abs. 3
Rz. 10
Die in Abs. 2 genannten Berufskrankheiten-Tatbestände sind durch die Änderungs-VO v. 11.6.2009 eingeführt bzw. ergänzt worden. Hinsichtlich der Berufskrankheiten Nr. 2112 (Gonarthrose), Nr. 4114 (Synkanzerogenese) und Nr. 4115 (Siderofibrose) ist nach Abs. 2 Satz 1 die letzte Verordnung zur Änderung der BKV v. 5.9.2002 (BGBl. I S. 3541) maßgebend. Deshalb kann eine Anerkennung dieser Berufskrankheiten rückwirkend ab 1.10.2002 erfolgen.
Rz. 10a
Hinsichtlich der Berufskrankheit Nr. 4113 (Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) ist nach Abs. 2 Satz 2 die BKV v. 31.10.1997 (BGBl. I S. 2623) maßgebend, weil der Ärztliche Sachverständigenbeirat bereits im November 1997 empfohlen hat, diese Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen. Deshalb kann eine Anerkennung dieser Berufskr...