Rz. 25
In der Nr. 3, der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung, wird die Feststellung, ob ein Versicherungsfall vorliegt und welche Folgen eingetreten sind, unter Versicherungsschutz gestellt (BSG, Urteil v. 12.5.1981, 2 RU 107/79; Mehrtens, in: Bereiter/Hahn, SGB VII, § 11 Rz. 10). Untersuchung i. S. d. § 11 ist nicht nur eine Maßnahme, welche der Aufklärung des medizinischen Sachverhalts dient. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 27.2.1970, 2 RU 164/68; ebenso: Bay LSG, Urteil v. 13.3.1968, L 3 U 141/66) können dies auch eine angeordnete polizeiliche Unfalluntersuchung, eine technische Untersuchung des Arbeitsplatzes durch eine Aufsichtsperson des Unfallversicherungsträgers oder Mitwirkungspflichten des Versicherten nach §§ 60 bis 62 SGB I sein (vgl. Krasney, in: Brackmann, SGB VII, § 11 Rz. 14; Rapp, in: LPK-SGB VII, § 11 Rz. 8). Untersuchungen ohne vorausgehenden Arbeitsunfall begründen keinen Unfallversicherungsschutz (zu § 539 Nr. 17a und § 548 RVO: BSG, Urteil v. 27.6.1978, 2 RU 20/78; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 15.10.1980, 2/4 O 271/77). Abs. 1 Nr. 3 erfasst grundsätzlich Untersuchungen im Verwaltungsverfahren. Die Anordnung kann durch den Träger der Unfallversicherung oder eine von ihm beauftragte oder durch Gesetz ermächtigte (Durchgangsarzt) Stelle ergehen und sich auf alle zur Klärung des Versicherungsfalles erforderlichen Fragen beziehen. Ob die Vorschrift auch gerichtliche Anordnungen erfasst, ist streitig (dafür: G. Wagner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 11 Rz. 36 mit Hinweis auf Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung, § 11 SGB VII Rz. 22; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 11 Rz. 15a; Vollmar, BG 1968, 109, 112; dagegen: Ricke, in: BeckOGK, Stand: 15.2.2024, SGB VII, § 11 Rz. 21; Kaiser, der Unfallversicherungsschutz des Verletzten während des in seiner Unfallsache anhängigen Sozialgerichtsverfahrens, SGb 1977, 520; Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 11 Rz. 15).
Rz. 26
Der Begriff "zur Aufklärung des Versicherungsfalles" ist weit auszulegen. Er umfasst alle medizinischen Untersuchungen, auch die Jahre später angeordnete Untersuchung zur Klärung, ob sich die tatsächlichen Voraussetzungen einer Rente geändert haben (vgl. § 73). Die Untersuchungen müssen rechtlich wesentliche Mitursache der medizinischen Aufklärung des Sachverhalts sein. Deshalb können die Gesundheitsstörungen, die aus einem zusätzlichen ärztlichen Eingriff resultieren, der zur Behebung eines unfallfremden Leidens dient, welcher aber anlässlich einer zur Erkennung von Unfallfolgen durchgeführten Operation vorgenommen wird, nicht dem Arbeitsunfall zugeordnet werden (vgl. BSG, Urteil v. 30.10.1991, 2 RU 41/90).
Allerdings hat das BSG angedeutet, dass falls das Gelingen der unfallbedingten Operation von der Behandlung eines unfallfremden Leidens abhängt, die Ursächlichkeit bejaht werden könne. Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des Bayerischen LSG (Urteil v. 30.6.1998, L 3 U 17/95): Führt ein zu diagnostischen Zwecken durchgeführter medizinischer Eingriff zu einer weiteren Gesundheitsstörung, so liegt eine zu entschädigende mittelbare Schadensfolge vor, wenn der Eingriff in erster Linie zwar zur Aufklärung unfallfremder Gesundheitsstörungen dienen soll, zugleich aber auch der objektiv begründete Verdacht bestand, dass die unfallfremden Gesundheitsstörungen durch die Unfallfolgen verschlimmert worden sein könnten.
Rz. 27
Im Gegensatz zu Nr. 1 und 2 ist die Anordnung des Unfallversicherungsträgers erforderlich (vgl. Hessisches LSG, Urteil v. 24.10.1979, L 3 U 686/77). Ausreichend ist aber auch die Anordnung durch eine generell oder im Einzelfall mit der Durchführung beauftragte Stelle. Das kann der Durchgangsarzt, ein Beratungsfacharzt oder ein in das Berufskrankheitenverfahren eingeschalteter Gewerbearzt (§ 4 BKV) sein.
An einer Anordnung i. S. d. § 11 fehlt es nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 15.5.1974, 8/7 RU 5/72), wenn der behandelnde Hausarzt wegen eines Arbeitsunfalls zur Aufklärung des Sachverhalts eine Untersuchung veranlasst. Auch das Verlangen einer privaten Stelle, beispielsweise einer privaten Unfallversicherung, zur Aufklärung des Sachverhalts, ist keine Anordnung nach § 11 Abs. 1 Nr. 3, unabhängig davon, ob dies auch für die Feststellung der Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung nützlich ist (vgl. BSG, Urteil v. 12.5.1981, 2 RU 107/79).