2.5.1 Kompetenz zum Erlass von Satzungen
Rz. 12
Gemäß § 34 Abs. 1 SGB IV gibt jeder Versicherungsträger sich eine Satzung. Daraus folgt die Pflicht jedes Unfallversicherungsträgers zum Erlass einer Satzung. Diese autonome Rechtssetzung ist Ausfluss des Selbstverwaltungsprinzips. Die Satzung ist zugleich das Organisationsstatut des UV-Trägers (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB IV, § 34 Rz. 1; Dygner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 114 Rz. 51). Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist die Vertreterversammlung zuständig für den Erlass der Satzung. Für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung konkretisiert Abs. 2 Satz 1 die allgemeine Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach die Satzung der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf.
2.5.2 Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde
Rz. 13
Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde. Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV führt das Bundesamt für Soziale Sicherung, auf den Gebieten der Prävention in der gesetzlichen Unfallversicherung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufsicht über die Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (bundesunmittelbare Versicherungsträger). Die Aufsicht über die Unfallversicherung Bund und Bahn auf dem Gebiet der Prävention führt gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB IV das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Gemäß § 90 Abs. 2 SGB IV führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder oder die von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmten Behörden die Aufsicht über die Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich nicht über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (landesunmittelbare Versicherungsträger). Die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die obersten Landesbehörden weiter übertragen. Abweichend von § 90 Abs. 1 SGB IV führen die in Abs. 2 genannten Behörden auch dann die Aufsicht, wenn sich der Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Versicherungsträgers sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, und wenn das aufsichtführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.
Soweit die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB VII ermächtigt sind, Satzungen zu erlassen, bedürfen diese gemäß Abs. 2 Satz 1 der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 SGB X. Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Satzung.
Ergibt sich nach Erlass einer Satzung, dass eine erfolgte Genehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen, so bestimmt Abs. 2 Satz 2 und 3 das weitere Prozedere. Dem Versicherungsträger kann eine Frist gesetzt werden, innerhalb derer die Satzung zu ändern ist. Nach Fristablauf kann die Aufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme die Änderung vornehmen.
Entsprechendes gilt nach Abs. 3 für die Unfallversicherung Bund und Bahn. Einziger Unterschied ist, dass im Vorfeld der Genehmigung für die dort enumerativ aufgeführten Satzungen (Nr. 1 bis 4) das Einvernehmen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesministeriums der Finanzen erforderlich ist. Einvernehmen bedeutet, dass die Genehmigung nicht gegen den Willen der zur Mitwirkung berufenen Ministerien des Bundes erteilt werden darf. Hintergrund hierfür sind die direkten Auswirkungen für den Bundeshaushalt (vgl. BT-Drs. 14/9007 S. 85).
2.5.3 Rechtmäßigkeitskontrolle
Rz. 14
Bei der Satzungsgenehmigung handelt es sich um die staatliche Mitwirkung bei dem Erlass von Satzungen als bestimmtes Verwaltungshandeln eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand November 2004, Kz. 200 S. 1; Fattler, in: Hauck/Noftz, SGB IV, Stand April 2021, K § 87 Rz. 5). Die Satzungsgenehmigung ist ein Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) gegenüber dem jeweiligen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung als sich selbst verwaltende Körperschaft des öffentlichen Rechts (Schirmer/Kater/Schneider, a. a. O., Kz. 505 S. 1). Die Prüfungskompetenz der Aufsichtsbehörde gegenüber der Selbstverwaltungskörperschaft ergibt sich wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, § 31 SGB I) anhand der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage entweder ausdrücklich oder mittels Auslegung (vgl. auch BSGE 103 S. 106 ff.). In Abs. 2 Satz 1 ist die Aufsichtsbehörde nur zur Rechtmäßigkeitsprüfung, nicht aber zur Zweckmäßigkeitskontrolle befugt. Der Wortlaut ist zwar nicht eindeutig. Systematisch ergibt sich dies aber aus Abs. 2 Satz 2. Denn der Fall, dass eine Satzung nicht hätte genehmigt werden "dürfen", kann nur eintreten, wenn sie im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen ist. War sie aber lediglich – aus Sicht der Aufsichtsbehörde – unzweckmäßig, durfte sie gleichwohl erlassen werden. Zuständige Aufsichtsbehörde ist gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei bundesunmittelbaren Versicherungsträgern, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstrec...