2.3.1 Arbeitnehmerüberlassung (Satz 1, 1. Var.)
Rz. 24
Abs. 3 Satz 1, 1. Var. beinhaltet eine Erweiterung der Beitragshaftung bei Arbeitnehmerüberlassung. Die Bestimmung verweist dabei in HS 1 auf § 28e Abs. 2 und 4 SGB IV. In der gesetzlichen Unfallversicherung gelten danach für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung folgende Grundsätze:
- Bei einer rechtmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist der Arbeitgeber der Verleiher. Der Verleiher haftet für die Zahlung des Beitrags zur Unfallversicherung. Daneben haftet der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, d. h., der Entleiher haftet ohne die dem Bürgen sonst zustehende Einrede der Vorausklage gegen den Hauptschuldner; § 773 Abs. 1 Nr. 1i. V. m. § 771 BGB (LSG Sachsen, HV-Info 33/2001, 3059).
- Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung gilt nach § 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der Entleiher als Arbeitgeber. Der illegale Entleiher und nicht der Verleiher haftet für die Zahlung des Beitrags. Zahlt der illegale Verleiher allerdings trotz Unwirksamkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, so gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber und haftet mit diesem als Gesamtschuldner, soweit sich der Beitrag auf das von ihm gezahlte Arbeitsentgelt bezieht (vgl. BSG, Urteil v. 18.3.1987, 9b RU 16/85). Für die gesamtschuldnerische Haftung finden auch hier §§ 421 bis 426 BGB eingeschränkt Anwendung.
Rz. 25
Die Beitragshaftung umfasst gemäß § 28 Abs. 4 SGB IV auch Säumniszuschläge und Zinsen, die für gestundete Beiträge zu entrichten sind.
2.3.2 Dienst- oder Werkvertrag im Baugewerbe (Satz 1, 2. Var.)
Rz. 26
Beauftragt nach Abs. 3 Satz 1, 2. Var. ein Unternehmer des Baugewerbes (Haupt- oder Generalunternehmer) einen anderen (Nach- oder Subunternehmer) mit der Erbringung von Bauleistungen, sind die Regelungen des § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV entsprechend heranzuziehen.
Rz. 27
Ein Nachunternehmer ist ein solcher, der aufgrund eines Werkvertrages oder Dienstvertrages im Auftrag eines anderen Unternehmens (Hauptunternehmen) die gesamte oder einen Teil der vom Hauptunternehmen gegenüber dessen Auftraggeber geschuldeten Leistung erbringt. Im allgemeinen Rechtsverkehr hat sich auch der Begriff Subunternehmer eingebürgert. Zur Verwendung des Begriffs "Nachunternehmer" vgl. auch die Regelungen in § 4 Abs. 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B).
Rz. 28
Danach haftet der Hauptunternehmer für die Erfüllung der Zahlungspflicht des von ihm beauftragten Nach- oder Subunternehmers bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages wie ein selbstschuldnerischer Bürge (vgl. zu Anwendungsfällen exemplarisch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.11. 2023, L 15 U 244/23 B ER; BayLSG, Urteil v. 18.9.2024, L 3 U 86/22).
Rz. 29
Aus der gesetzlichen Wertung des § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV, wonach ein Generalunternehmer des Baugewerbes für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers "wie ein selbstschuldnerischer Bürge" haftet, folgt, dass die Haftung eines Bürgen nur akzessorisch ist, d. h., die Forderung gegen einen Bürgen teilt die Rechtsnatur und das Schicksal der Hauptforderung (vgl. § 767 BGB; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 21.9.2023, L 15 U 189/23 B ER, Rz. 35, mit Anm. von Dombrowsky, NZS 2024 S. 198).
Rz. 30
Da mittels Art. 1 Nr. 42 des Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) § 116a SGB IV aufgehoben wurde, ist der ehemalige Verweis auf die Vorschrift hinfällig geworden. Die Streichung des Verweises in Abs. 3 Satz 1 auf § 116a war daher dessen Folgeregelung (vgl. auch die Gesetzesmotive in BR-Drs. 422/22 S. 34, 119 = BT Drs. 20/3900 S. 35, 105). Bis zum 31.12.2022 beinhaltete der zum 1.1.2023 gestrichene § 116a SGB IV eine Übergangsregelung zur Beitragshaftung. Danach fanden § 28e Abs 3b und 3d Satz 1 SGB IV in der am 30.9.2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn der Unternehmer mit der Erbringung der Bauleistungen vor dem 1.10.2009 beauftragt worden war.
Rz. 31
Nach § 28e Abs. 3a Satz 3 SGB IV gilt die Regelung des § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV entsprechend. Danach kann der Hauptunternehmer die Zahlung verweigern, solange ihn die Einzugsstelle nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Bei der Mahnung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Mahnung selbst ist daher Realakt und kein Verwaltungsakt (BayLSG, Urteil v. 18.9.2024, L 3 U 86/22, Rz. 41, hinsichtlich der Rechtsnatur der Mahnung auch unter Bezugnahme auf BSG, Urteil v. 4.3.2021, B 11 AL 5/20 R). Ein aus fehlender Mahnung resultierendes Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers kann daher zur Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids führen.
Rz. 32
Die Haftung entfällt gemäß § 28e Abs. 3b Satz 1 SGB IV bei Nachweis des Unternehmers, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt. Anstelle einer Präqualifikation kann der Nachweis auch durch Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ...