2.1 Genehmigungspflicht (Abs. 1)
Rz. 8
Nach Abs. 1 ist für die Wirksamkeit des Gefahrtarifs i. S. d. § 157 die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde konstitutiv.
Rz. 9
Die Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden i. S. v. Abs. 1 sind in § 90 SGB IV geregelt. Die Aufsicht über bundesunmittelbare Unfallversicherungsträger obliegt dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) gemäß § 90 Abs. 1 SGB IV (bis 2019 Bundesversicherungsamt – BVA), soweit dabei nicht die Unfallverhütung betroffen ist. Bundesunmittelbare Träger sind diejenigen, deren Zuständigkeitsbereich sich über mehr als 3 Bundesländer hinaus erstreckt. Die Aufsicht über landesunmittelbare Unfallversicherungsträger, also die Träger, die sich lediglich über das Gebiet eines Bundeslandes erstrecken, obliegt der für die Sozialversicherung des Bundeslandes zuständigen obersten Verwaltungsbehörde (vgl. § 90 Abs. 2 SGB IV). Die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde nur eines Bundeslandes soll die Aufsicht über Unfallversicherungsträger führen, deren Zuständigkeit sich über das Gebiet zweier Länder hinaus erstreckt (vgl. § 90 Abs. 3 SGB IV). Entsprechend ist zu vereinbaren, welches der beiden infrage kommenden Bundesländer die aufsichtführende Landesbehörde stellt. Dies erfolgt gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG per Staatsvertrag zwischen den betroffenen Bundesländern.
Rz. 10
Das Bundesamt für Soziale Sicherung ist eine selbständige Bundesoberbehörde. Die Behörde hat ihren Sitz in Bonn (§ 94 Abs. 1 SGB IV).
Rz. 11
Der Grundsatz der Genehmigungspflicht gilt auch für jede Änderung oder Verlängerung des Gefahrtarifs.
Rz. 12
Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden.
Rz. 13
Der Gefahrtarif ist öffentlich bekanntzumachen (vgl. § 34 Abs. 2 Satz SGB IV).
Rz. 14
Der Aufsicht steht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle zu.
2.2 Weitere Pflichten (Abs. 2)
2.2.1 Mitteilungspflicht bei Änderung (Satz 1)
Rz. 15
Nach Abs. 2 Satz 1 sind die Unfallversicherungsträger verpflichtet, beabsichtigte Änderungen des Gefahrtarifs 3 Monate vor Ablauf von dessen Geltungsdauer der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
2.2.2 Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde (Satz 2)
Rz. 16
Geschieht dies nicht oder wird der Gefahrtarif nicht genehmigt, ist gemäß Satz 2 die Aufsichtsbehörde ermächtigt, den Gefahrtarif nach Fristablauf selbst aufzustellen; Satz 2 konstituiert daher das Recht auf Ersatzvornahme.
Rz. 17
Dadurch soll ein tarifloser Zustand verhindert werden.
2.2.3 Aufsichtsmittel nach § 89 (Satz 3)
Rz. 18
Daneben stehen der Aufsicht laut Satz 3 die Aufsichtsmittel des § 89 SGB IV zur Verfügung. Zu den Aufsichtsmitteln zählen in steigender Intensität und daher unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Beratung (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), die Fristsetzung zur Behebung (§ 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), das Einsetzen von Maßnahmen des Verwaltungsvollstreckungsrechts (§ 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IV) und die Androhung von Zwangsmitteln (§ 89 Abs. 1 Satz 4 SGB IV).
2.3 Prozessuales
Rz. 19
Gefahrtarife sind durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unbeschadet der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde i. S. d. § 158 Abs. 1 überprüfbar als autonom gesetztes objektives Recht; allerdings überprüfbar nur daraufhin, ob sie mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage enthält, und mit sonstigem höherrangigen Recht – insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG – vereinbar sind. Den Unfallversicherungsträgern ist als ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte. Die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegen vielmehr den Unfallversicherungsträgern (Sächs. LSG, Urteil v. 7.2.2022, L 6 U 102/20, Rz. 35, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil v. 24.6.2003, B 2 U 21/02 R, Rz. 21, und BSG, Urteil v. 11.4.2013, B 2 U 8/12 R, Rz. 18).