2.1 Zuschlags- und Nachlassverfahren (Abs. 1)
Rz. 3
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) sowie die Unfallversicherung Bund und Bahn (§125 Abs. 2) sind gemäß Abs. 1 Satz 1 gesetzlich verpflichtet, in der Satzung Zuschläge und Nachlässe festzulegen. Zuschlags- bzw. Nachlasssysteme kommen in der Praxis ebenso vor wie kombinierte Verfahren. So ergeben sich folgende Möglichkeiten:
- isolierte Zuschläge oder
- isolierte Nachlässe oder
- Zuschläge kombiniert mit Nachlässen oder
- Prämien kombiniert mit Nachlässen.
Rz. 4
Parameter sind alle anzuzeigenden Versicherungsfälle. Anzeigepflichtig sind alle Arbeitsunfälle, die zu einer mehr als 3-tägigen Arbeitsunfähigkeit oder zum Tod des Versicherten geführt haben (§ 193 Abs. 1). Auch beim Verdacht einer Berufskrankheit besteht eine Anzeigepflicht (§ 193 Abs. 2). Da der Unternehmer auf Unfälle von Versicherten zur und von der Arbeit (Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4) keinen Einfluss hat, werden sie gemäß Abs. 1 Satz 2 nicht bei Zuschlägen, Nachlässen oder Prämien berücksichtigt.
Rz. 5
Der Unfallversicherungsträger kann nach Abs. 1 Satz 3 kraft Satzung einerseits folgende anzeigepflichtige Versicherungsfälle von den Zuschlägen, Nachlässen und Prämien ausnehmen:
- Berufskrankheiten,
- Versicherungsfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten und
- Versicherungsfälle auf Betriebswegen.
Rz. 6
Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich gemäß Abs. 1 Satz 4 nach der Zahl, der Schwere und den Kosten der anzuzeigenden Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Das Gesetz orientiert sich ausdrücklich an den im Betrieb konkret aufgetretenen Versicherungsfällen. Der Gesetzeswortlaut rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Beitragsnachlass einen mehr oder minder vollständigen Ausgleich für den wirtschaftlichen Aufwand von Unfallverhütungsmaßnahmen darstellen soll (vgl. Bay. LSG, Urteil v. 22.5.1996, L 2 U 106/93). Das Gesetz gibt keine Hinweise, in welchen Grenzen sich Zuschläge und Nachlässe bewegen und nach welchem Verfahren Zuschläge und Nachlässe berechnet werden sollen.
Bei der Ermittlung der Unfallkosten im Rahmen des Beitragsausgleichsverfahrens sind nur die bei der Berufsgenossenschaft tatsächlich verbleibenden Kosten heranzuziehen; Leistungen Dritter – etwa im Wege des Regresses – sind entsprechend kostenreduzierend zu berücksichtigen (vgl. BSGE 48 S. 291).
Die Selbstverwaltung ist bei der Gestaltung des Verfahrens zur Bestimmung der Zuschläge und Nachlässe frei. Einzelheiten bestimmt die Satzung.
Rz. 7
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, den Zuschlag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Umlagebeitrags festzusetzen und damit Unternehmer mit höheren Lohnsummen gegenüber Unternehmern mit niedrigeren Lohnsummen stärker zu belasten (vgl. BSG, SozR 2200 § 725 (RVO) Nr. 10). Es verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, wenn durch Berücksichtigung der Gefahrklasse Unternehmer mit einer hohen Gefahrklasse stärker durch Zuschläge belastet werden als Unternehmer mit gleich hoher Lohnsumme aber niedriger Gefahrklasse (vgl. BSG, NZA 1986 S. 283 = HVBG-INFO 1986 S. 283). Die Gefahrklasse wird berechnet aus dem Verhältnis der gezahlten Entschädigungsleistungen des Unfallversicherungsträgers zu den durch den Beitragspflichtigen nachgewiesenen Arbeitsentgelten in einem bestimmten Zeitraum. Zur Vereinbarkeit satzungsmäßiger Zuschläge zum Unfallversicherungsbeitrag mit höherrangigem Recht, die nach Zahl und Kosten der Arbeitsunfälle differenzieren, vgl. BSG, Breithaupt 1994 S. 653 = SozR 3-2200 § 725 (RVO) Nr. 2.
Dem Unternehmer ist wegen des Arbeitsunfalls ein Beitragszuschlag unabhängig davon aufzuerlegen, ob er die für ihn maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften beachtet hat (vgl. BSG, Urteil v. 5.8.1976, 2 RU 231/74).
Rz. 8
Beim Zuschlagsverfahren wird unterschieden zwischen Zuschlagsverfahren mit und ohne Vorbelastung. Beim Zuschlagsverfahren mit Vorbelastung werden die Unternehmen während des Kalenderjahres nach Zahl, Schwere und Kosten der Versicherungsfälle entsprechend vorbelastet. Diese Vorbelastungsbeträge werden zum Umlagebeitrag des Unternehmers addiert. Beim Zuschlagsverfahren ohne Vorbelastung werden die Zuschläge bei der Umlageberechnung berechnet. Zuschläge können erhoben werden, wenn die Eigenbelastung der Unternehmer die Durchschnittsbelastung übersteigt.
Beim Nachlassverfahren werden die Nachlässe bei der Umlageberechnung berechnet. Nachlässe werden gewährt, wenn die Eigenbelastung des Unternehmers unter der Durchschnittsbelastung liegt.
Rz. 9
Im Wege der Satzung können nicht anzeigepflichtige Versicherungsfälle in das Ausgleichsverfahren aufgenommen werden (Abs. 1 Satz 5). Damit ist dem jeweiligen Unfallversicherungsträger gleichermaßen wie bei den Zuschlägen und Nachlässenein Gestaltungsspielraum eingeräumt.
Rz. 10
Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft kann durch Satzung ein entsprechendes Beitragsausgleichsverfahren bestimmen (Abs. 1 Satz 7). Sie hat insoweit im Gegensatz zu den gewer...