2.1 Definition von Sozialdaten und Datenverarbeitung
Rz. 5
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis, entsprechend dem im Datenschutzrecht geltenden Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt). Demnach besteht für die Verarbeitung von Sozialdaten ein Gesetzesvorbehalt, wonach jegliche der beschriebenen Aktivitäten einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Der Gesetzesvorbehalt kommt an mehreren Stellen zum Ausdruck, so auch in § 35 Abs. 2 SGB I, wonach eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig ist. Die bereichsspezifischen Sonderregelungen des Sozialdatenschutzes sind demnach auch – wie im SGB VII – überwiegend als zusätzliche Einschränkungen der Datenverarbeitung konstruiert.
2.2 Erheben und Speichern
Rz. 6
Die Definition des Erhebens, Verarbeitens und Nutzens von Daten erfolgt ebenfalls nicht in der Vorschrift, da sie bereits in § 67 SGB X vorliegt. Erheben ist das – wie auch immer geartete – Beschaffen der Daten (§ 67 Abs. 5 SGB X), Verarbeiten ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen der Daten (§ 67 Abs. 6 Satz 1 SGB X). Schließlich wird auch noch das Speichern definiert als das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Nutzen ist jede Verwendung von Sozialdaten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt, auch die Weitergabe innerhalb der verantwortlichen Stelle (§ 67 Abs. 7 SGB X).
2.3 Erforderlichkeit
Rz. 7
Die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung der Daten steht nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift unter dem grundsätzlichen Vorbehalt der Erforderlichkeit. Die Erforderlichkeit beinhaltet die Prüfung, dass kein milderes gleich gut geeignetes Mittel verfügbar ist, um eine gesetzliche Aufgabe zu erfüllen, und dass auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) gewahrt bleibt (vgl. hierzu BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., Volkszählungsurteil). Das im gesamten Bereich des Sozialdatenschutzes tragende Element des Erforderlichkeitsprinzips gilt allgemein für die Datenerhebung, § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Rz. 8
Die Erforderlichkeit kann hierbei nur bei vorausschauender Betrachtung zum Zeitpunkt der Anforderung der gewünschten Informationen beurteilt werden (Schur, BG 2007 S. 71). Nachfolgende Kenntnisse können aber ein wichtiges Indiz dafür darstellen, dass diese Beurteilung zum Zeitpunkt der Anforderung zutreffend gewesen ist; insofern gelten die allgemeinen Grundsätze der Überprüfung von Prognoseentscheidungen der Verwaltung durch die Gerichte. Prognostische Einzelbeurteilungen der vorliegenden Art beinhalten eine tatsächliche Feststellung, die keinen Beurteilungsspielraum beinhaltet und voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (BSGE 67 S. 228).
Rz. 9
Bei der gerichtlichen Überprüfung ist von dem Kenntnisstand in der mündlichen Verhandlung auszugehen, weshalb zwischenzeitliche Ereignisse – etwa die tatsächlich erfolgte Erstattung durch den Arbeitgeber – bei der rückwirkenden Beurteilung der Richtigkeit der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden dürfen (BSG, SozR 4100 § 42 Nr. 2).
Rz. 10
In Grenzfällen ist hierbei auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten, weil eine zu penible Anwendung der Datenschutzvorschriften mit längeren Bearbeitungszeiten einhergehen kann, welche sich zulasten der Versicherten auswirken können (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, Stand 6/07, § 199 Rz. 2). Dazu sind die gegenläufigen Belange – also insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – einander im Rahmen einer umfassenden Abwägung gegenüberzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23.10.2006, 1 BvR 2027/02; stattgebender Kammerentschluss hinsichtlich einer in Versicherungsverträgen enthaltenen generellen Verpflichtung zur Erteilung einer Schweigepflichtentbindung).
Rz. 11
Neben der Erforderlichkeit sind bei der Erhebung, Nutzung und Verarbeitung der Daten auch besondere Widerspruchsrechte und Beweisverbote zu beachten (vgl. § 200 und dortige Kommentierung sowie insbesondere § 84 SGB X).
2.4 Aufgabenkatalog
Rz. 12
Hierzu enthält Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift eine Aufzählung der Aufgaben der Unfallversicherungsträger, wobei aufgrund des geltenden Gesetzesvorbehalts von einer abschließenden Aufzählung auszugehen ist. Allerdings ist mit dem Katalog keine Einschränkung gegenüber der Vorschrift in § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X bezweckt, wonach das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig ist, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden ...