Rz. 58
Versichert sind darüber hinaus zwei Arten von ehrenamtlich Tätigen. Nach Nr. 5 Buchst. d sind Personen versichert, wenn und solange sie für Unternehmen tätig sind, die der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft unmittelbar und überwiegend dienen; nach Nr. 5 Buchst. e sind auch die in Berufsverbänden der Landwirtschaft tätigen Personen versichert.
Rz. 59
Eine versicherte ehrenamtliche Tätigkeit liegt vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- unentgeltliche Tätigkeit. Echte Aufwandsentschädigungen sind möglich, dürfen aber keine Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts sein und keinen Entgeltcharakter haben (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82);
- freiwillig und am Allgemeinwohl orientierte Tätigkeit;
- Ehrenamt erfordert nicht mehr eine Kontinuität der Tätigkeit, da sie häufig projektbezogen oder in Einzelfällen ausgeübt wird ("neues Ehrenamt"); deshalb genügt die vorübergehende oder gar einmalige Ausübung (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82);
- auch bei einer nur kurzzeitigen Bestätigung ist ein ausdrücklicher oder stillschweigender Auftrag (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82) zum Tätigwerden in dem durch das Unternehmen zugewiesenen Aufgaben- oder organisatorischen Verantwortungsbereich erforderlich (BSG, Urteil v. 18.10.1994, 2 RU 15/94).
Damit ist der Begriff sehr weit gefasst (krit. Kruschinsky, in: Brackmann, Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII, § 2 Rz. 412 "sinnlose Ausuferung"), was vom Gesetzgeber im Bereich der Landwirtschaft zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements nach einer langen Rechtstradition gewollt war und ist. Allerdings begründet die Mitgliedschaft in und die Tätigkeit für einen Ortsverschönerungsverein keinen Versicherungsschutz nach Nr. 5 Buchst. d (Bay. LSG, Urteil v. 18.10.2018, L 7 U 36/14). Einen Überblick über die Verbände der Landwirtschaft gibt: http://www.agrarwissenschaften.de/verbaende.html (Abruf 7.6.2019).
Rz. 60
Der Begriff des Unternehmens in Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d ist weit zu verstehen. Er umfasst alle auf Dauer angelegten Einrichtungen, Vereinigungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Der Unternehmensbegriff ist aber in zweifacher Hinsicht eingeschränkt. Das Unternehmen muss nach seiner Zielrichtung unmittelbar, also in erster Linie und nicht als Nebenzweck, der Sicherung oder Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft dienen. Zweitens muss die Einrichtung oder Vereinigung die genannten Zwecke überwiegend verfolgen, sie dürfen nicht lediglich untergeordnete Aspekte der Arbeit des Unternehmens sein (vgl. auch Rz. 45). Auch Treiber oder Hundeführer, die sich im Rahmen einer Jagd betätigen, können zur Sicherung oder Förderung der Landwirtschaft tätig sein, weil die Jagd ein landwirtschaftliches Unternehmen ist (Abs. 1 HS 1; das BSG hat in einem solchem Fall aber die Versicherung als Beschäftigter nach Nr. 1 bejaht: Urteil v. 6.9.2018, B 2 U 18/17 R). Jedenfalls handelt es sich bei diesen Personen nicht um bloße Jagdgäste, die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 versicherungsfrei wären.
- landwirtschaftliche Selbstverwaltung,
- Vermarktungsvereinigungen,
- Verbände zur Förderung bestimmter Unternehmenszweige (Fischerei, Weinbau o. ä.), nicht aber Berufsverbände (Abs. 1 Nr. 5 Buchst. e),
- nicht: Ortsverschönerungsvereine.
Rz. 61
Die Regelung erweitert den Versicherungsschutz im Bereich der Landwirtschaft in Nr. 5 Buchst. e auch auf die für einen Berufsverband der Landwirtschaft tätigen Personen. Darin liegt eine Privilegierung der Tätigen in der Landwirtschaft, weil für andere Berufsgruppen, insbesondere die Beschäftigten (Nr. 1), die Betätigung in Berufsvereinigungen oder -verbänden nicht versichert ist. Der Schutz ist auch deshalb sehr weit gefasst, weil sich im Bereich der Landwirtschaft auch viele Verbände auf europäischer Ebene betätigen, für diese wird der Bezug zur Rechtsordnung des SGB VII über die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft hergestellt. Die Einbeziehung der ehrenamtlichen Tätigkeit für Berufsverbände der Landwirtschaft durch Nr. 5 Buchst. e in den Versicherungsschutz ist rechtshistorisch begründet und lässt sich damit rechtfertigen, dass typisierend anzunehmen ist, dass sich die Landwirte selbst in ihren Berufsverbänden einbringen. Das ausgeübte Ehrenamt in einem Berufsverband kann daher der Tätigkeit in der Landwirtschaft im weitesten Sinne zugerechnet werden. Allerdings sind nach dem Wortlaut der Nr. 5 Buchst. e auch die ehrenamtlich tätigen Personen versichert, die zwar in einem Berufsverband im Übrigen aber nicht in der Landwirtschaft tätig sind.
Berufsverbände der Landwirtschaft sind Vereinigungen, die sich nach ihrer Satzung als Berufsverband der Landwirtschaft betätigen und für die die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist (§ 123 Abs. 1; vgl. Rz. 59 a. E.).