Rz. 13

Begrifflich wird sowohl im Verwaltungsverfahrensrecht (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) als auch im Prozessrecht (§§ 106 Abs. 3 Nr. 4, 118 Abs. 2 SGG, §§ 402 ff. ZPO) der Sachverständige bzw. der Sachverständigenbeweis genannt. Im gerichtlichen Sprachgebrauch ist vom Gutachter im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie vom gerichtlichen Sachverständigen die Rede. Der Gutachter/Sachverständige ist von anderen Beteiligten bei der Entscheidungsfindung zu unterscheiden, nämlich von dem sachverständigen Zeugen und dem Beteiligten.

Ein Gutachter ist prinzipiell unabhängig von den Beteiligten und verfügt über eine besondere Sachkenntnis, welche den Beteiligten und dem Gericht fehlt. Der Gerichtsgutachter ist ein Sachverständiger bzw. ein Experte auf einem oder mehreren Gebieten, der dem Gericht die für die Entscheidung erforderlichen aktuellen Fachkenntnisse vermittelt und diese auf den zu entscheidenden Sachverhalt anwendet. Der Gutachter schuldet grundsätzlich eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung des Beweisthemas nach dem aktuellen Erkenntnisstand seines Fachgebiets. Er ist prinzipiell austauschbar, da er sich die Kenntnisse über den Versicherten erst noch durch eine Untersuchung oder zumindest durch ein Studium der Akte verschaffen muss (bei einem Gutachten nach Aktenlage). Demgegenüber kennt der sachverständige Zeuge den Versicherten bereits, weil er ihn schon behandelt hat. Auch wenn jedoch ein Gutachter eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme zu seinem Gutachten abgibt, bleibt er Gutachter, obwohl er den Versicherten aufgrund seines bereits erstatteten Gutachtens inzwischen kennt. Gegenüber dem "einfachen" Zeugen zeichnet sich der sachverständige Zeuge dadurch aus, dass er die Wahrnehmung von Tatsachen in der Vergangenheit nur aufgrund seiner besonderen Sachkunde (hier: als Arzt) vornehmen konnte. Maßgeblich ist nicht, wie die Auskunftsperson von einem Beteiligten oder vom Gericht im Beweisbeschluss aufgeführt ist, sondern ob sie als (sachverständiger) Zeuge oder Sachverständiger bestimmt worden ist (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.9.2006, L 12 R 3579/06 KO-A).

 

Rz. 14

Entscheidend für die Frage, ob ein Arzt als Zeuge oder als Sachverständiger anzusehen ist, ist der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht kommt, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.5.2005, I-10 W 26/05). Wenn sich die Äußerung nicht auf festgestellte Tatsachen beschränkt, die der Patientenakte entnommen werden können, sondern auch Ausführungen etwa zu den Ursachen oder Auswirkungen einer festgestellten Erkrankung gemacht werden, liegt eine gutachtliche Stellungnahme und keine sachverständige Zeugenaussage mehr vor. Auf die Länge der Ausführungen kommt es nicht an. Allerdings muss sich die Begründung für die vorgenommene Beurteilung aus dem zuvor beschriebenen Zustand ergeben und nachvollziehbar sein (BSG, Urteil v. 26.11.1991, 9a RV 25/90).

 

Rz. 15

Die Unterscheidung zwischen einem Gutachter und einem Parteivortrag (durch Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme) ist in ähnlicher Weise vorzunehmen wie die Abgrenzung zwischen dem Gutachter und dem sachverständigen Zeugen, weil der Bezugspunkt der Stellungnahme des Beratungsarztes ebenfalls hauptsächlich bereits bekannte Unterlagen sind, wohingegen der Gutachter eine völlig neue Bewertung des Sachverhalts anhand der aktuellen Erkenntnisse seines Fachgebiets vornehmen soll (vgl. hierzu Rz. 24 ff.).

 

Rz. 16

Eine weitere Abgrenzung ist vorzunehmen im Hinblick auf evtl. Hilfspersonen des Gutachters. Nach § 407a Abs. 2 ZPO, der gemäß § 118 Abs. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Das BSG hat hierzu entschieden, dass die Übertragung der körperlichen Untersuchung des Probanden und die Erhebung der organmedizinischen Befunde im Falle eines neurologischen Befundes auf einen ärztlichen Mitarbeiter übertragen werden können. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss v. 17.11.2006, B 2 U 58/05 B, SozR 4-1750 § 407a Nr. 3).

 

Rz. 17

Anderes kann dann gelten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht sel...

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