Rz. 18

Aus der Formulierung der Vorschrift ergibt sich zunächst, dass das Auswahlrecht sowohl im Verwaltungs- als auch im Widerspruchsverfahren gilt; denn die Vorschrift trifft insofern keine Unterscheidung zwischen diesen beiden Verfahrensarten, die beide vom Unfallversicherungsträger betrieben werden. Das Auswahlrecht besteht nach dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 2 gegenüber dem Unfallversicherungsträger, nicht gegenüber dem Gericht.

 

Rz. 19

Auch Gutachten nach Aktenlage werden vom Gutachterauswahlrecht erfasst, weil die gesetzgeberische Zielrichtung insoweit die gleiche ist (BT-Drs. 13/4853 S. 13) und sich für Differenzierungen im Gesetzestext kein Anhaltspunkt findet.

 

Rz. 20

Im Falle der Beauftragung mehrer Gutachter gilt die Vorschrift für alle Gutachter und somit auch für eventuelle Zusatzgutachter; denn der Wortlaut der Norm trifft insofern keine tragfähige Unterscheidung (C. Wagner, in: jurisPK-SGB VII, Stand 1/09, § 200 Rz. 39).

 

Rz. 21

Etwas anderes gilt auch nicht für den Fall, dass ein ordnungsgemäß ausgewählter Gutachter von sich aus weiteren Begutachtungsbedarf feststellt; Beschleunigungsgesichtspunkte rechtfertigen es nicht, dem ordnungsgemäß ausgewählten Gutachter in diesen Fällen die zusätzliche Gutachterauswahl zu überlassen (so aber etwa Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand 1/09, § 200 Rz. 4.4).

Betroffen sind indes nur Gutachter, die der Unfallversicherungsträger in Auftrag gegeben hat. Der Verwertung eines vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Gutachtens kann der Versicherte nicht widersprechen, weil er sich die Handlungen seines Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (Hessisches LSG, Urteil v. 18.8.2009, L 3 U 133/07).

 

Rz. 22

Fraglich ist, ob der Unfallversicherungsträger auch Gutachteninstitute vorschlagen kann. Dem Wortlaut der Vorschrift trägt dies keine Rechnung; das Argument der Praktikabilität (so aber Ricke, in: KassKomm. SGB VII, Stand 6/07, § 200 Rz. 4) kann insoweit nicht allein ausschlaggebend sein (Franke, in: LPK-SGB VII, 2. Aufl. 2007, § 200 Rz. 3). Allerdings kann der Versicherte dem Vorschlag eines Gutachteninstituts zustimmen, weil dann der Gesichtspunkt der Praktikabilität durch das fehlende Schutzbedürfnis des Versicherten gestützt wird. Die insoweit denkbaren Probleme lassen sich im Regelfall jedoch einfach vermeiden. Soll dem Versicherten etwa eine Begutachtung durch eine BG-Unfallklinik vorgeschlagen werden, dürfte die Benennung des Gutachters für den Unfallversicherungsträger keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten; unterbleibt dies, dürfte die Auswahl des Versicherten gerade dieser Art der Begutachtung (bei zwei korrekt vorgeschlagen alternativen Gutachtern) insoweit den Verlust des Rügerechts nach sich ziehen.

 

Rz. 23

Die Vorschlagspflicht gilt auch gegenüber Hinterbliebenen oder anderen Sonderrechtsnachfolgern, weil die maßgebenden gesetzgeberischen Motive der Transparenz, der Verfahrensbeschleunigung und der Gewährleistung eines ausreichend großen Gutachter-Pools auch insoweit von Belang sind. Dem kann nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, es fehle die persönliche Vertrautheit mit dem Gutachter und die persönliche Betroffenheit, weil diese Aspekte für die Neuregelung des Gesetzgebers keine Rolle gespielt haben (a. A. Ricke, in: KassKomm. SGB VII, Stand 5/06, § 200 Rz. 4; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13.7.2009, L 2 U 167/08). Im Übrigen können auch Hinterbliebene mehr Vertrauen in einen speziellen Gutachter haben und ein Interesse daran haben, dass intime Daten eines Angehörigen nicht einem beliebigen Dritten zur Kenntnis gebracht werden.

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