0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift gilt seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.1997 in unveränderter Form. Eine vergleichbare Vorläuferregelung in der RVO gibt es nicht. Nach der zuvor geltenden Rechtslage entschied der Unfallversicherungsträger allein, welche Gutachter er beauftragt.
Allerdings sollte nach § 1582 Abs. 1 RVO der behandelnde Arzt gehört werden, wenn aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Entschädigung abgelehnt oder nur eine Teilrente gewährt werden sollte. Auf Verlangen des Verletzten musste der behandelnde Arzt gehört werden. Hiervon sah Abs. 2 der Vorschrift wiederum eine Ausnahme für den Fall vor, dass der behandelnde Arzt zu dem Versicherungsträger in einem nicht nur vorübergehenden Vertragsverhältnis stand; in diesem Fall musste auf Antrag ein anderer Arzt angehört werden.
Rz. 2
In § 1582 RVO wurde eine dem § 109 SGG vergleichbare Funktion gesehen, die dazu dienen sollte, im sozialgerichtlichen Verfahren befriedigende (und befriedende) Ergebnisse zu erreichen. Daher wurde eine extensive Auslegung der Vorschrift dahingehend gefordert, dass generell vor der Feststellung einer Leistung – und nicht gemäß dem Wortlaut nur bei einer Voll- oder Teilablehnung – der vom Verletzten benannte Arzt anzuhören sein sollte (Böhme, ZfS 1976 S. 304). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sowohl nach altem wie neuem Recht eine Entscheidung über eine Leistung ohne die Anhörung des behandelnden Arztes i. d. R. einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht insbesondere aus § 20 Abs. 2 SGB X darstellen dürfte (vgl. SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 7.3.2007, S 26 R 289/06).
Abs. 2 ist gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 24.8.1995 (BT-Drs. 13/2204 S. 57) im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens durch den 11. Ausschuss eingefügt worden (BT-Drs. 13/4754 S. 122). Neu ist, dass der Versicherte sich seinen Gutachter aussuchen kann. Vor Erteilung eines Gutachtenauftrags soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; das gilt auch für die Vergabe von Gutachten nach Aktenlage.
Rz. 3
Ein Vorschlag während der Gesetzgebungsverfahrens zum Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2130), den Versicherten die Auswahl ihrer Gutachter völlig selbst zu überlassen, wurde vom Deutschen Bundestag abgelehnt (BT-Plenarprotokoll 16/172 S. 18297).
1 Allgemeines
Rz. 4
§ 200 Abs. 1 enthält eine Sonderregelung für die Verpflichtung der Unfallversicherungsträger, auch auf Widerspruchsrechte gegenüber anderen Sozialleistungsträgern hinzuweisen, wenn diese nicht selbst zu einem Hinweis auf das Widerspruchsrecht verpflichtet sind. § 200 Abs. 2 enthält ebenfalls eine Sonderregelung für Versicherte, die sich danach im Rahmen von mehreren vorzuschlagenden Gutachtern einen Gutachter auswählen können; die lange umstrittene Frage, ob dieses Auswahlrecht auch für Gutachten der Unfallversicherungsträger im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, hat das BSG inzwischen bejaht.
Vergleichbare Regelungen existieren in den anderen Sozialgesetzbüchern nicht. Weitergehend als ein Auswahlrecht wäre ein Vorschlagsrecht des Versicherten für einen Gutachter, welches indes nach geltendem Recht in keinem der Sozialgesetzbücher (anders als in § 109 SGG) existiert.
Allgemein gilt es für Versicherte allerdings zu bedenken, welche Auswirkungen eine Ablehnung von Gutachtern oder der Widerspruch gegen die Heranziehung von Unterlagen haben können; denn bei Nichterweislichkeit von anspruchsbegründenden Tatsachen kann hieraus die Gefahr erwachsen, dass wegen der regelmäßig beim Versicherten liegenden Feststellungslast mangels Nachweises eine Entscheidung zulasten des Antragstellers ergeht. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung, soweit deren Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind, bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
Rz. 5
Ein Versicherter ist demnach im Ergebnis trotz seiner Widerspruchsrechte häufig i. S. einer Obliegenheit dennoch verpflichtet, dem Unfallversicherungsträger bzw. einem von ihm hinzuzuziehenden Gutachter die Angaben zugänglich zu machen, die zur Prüfung eines geltend gemachten Anspruchs erforderlich sind, somit auch der Erteilung von Auskünften durch ihren behandelnden Arzt zuzustimmen und diesen entsprechend von der Schweigepflicht zu entbinden. Das geltende Recht kennt im Übrigen keine Vorschrift, die den Untersuchungsgrundsatz des § 20 Abs. 1 SGB X derart einschränkt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines geltend gemachten Anspruchs, soweit medizinische Fragestellungen zu beurteilen sind, der vom Versicherten gewünschte Gutachter immer dann heranzuziehen ist, wenn der Versicherte eine konkrete Auswahl trifft; denn sonst bräuchte man § 109 SGG bereits nicht. Aus der Regelung des § 76 Abs. 2 SGB X...