Rz. 42
Abs. 1 Nr. 4 ist durch das Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen (UVSchVerbG) v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3299) eingefügt worden.
Nach der Gesetzesbegründung ermöglicht die Nr. 4 insbesondere Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand, weitere ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte, die nicht kraft Gesetzes versichert sind, per Satzung in den Versicherungsschutz einzubeziehen und die Voraussetzungen dafür zu regeln. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit dem Versicherungsschutz im ehrenamtlichen Bereich können die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand so zu einer Verbesserung der sozialen Absicherung der ehrenamtlich engagierten Personen zu vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen beitragen (BT-Drs. 15/3920, Anlage 2, S. 8).
Rz. 43
Der Begriff des ehrenamtlich Tätigen und des bürgerschaftlich Engagierten wird im SGB VII nicht definiert. Die Gesetzesbegründung zur Einführung der Regelung im UVSchVerbG v. 9.12.2004 (BT-Drs 15/4051 S. 13) gibt einen Hinweis, indem es heißt, es werde ermöglicht, weitere ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte, die nicht kraft Gesetzes versichert sind, per Satzung in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Damit sind solche Personen gemeint, die nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gesetzlich versichert sind. Folglich können die zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze herangezogen werden (so auch Angermaier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 3 Rz. 81).
Rz. 44
Der Begriff des Ehrenamtes ist abzugrenzen. Bedeutung entfaltet § 3 Abs. 1 Nr. 4 nur, soweit kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht, insbesondere nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5d oder 5e oder Nr. 10a und 10b oder nach § 6 (Überblick bei: Molkentin, BG 2006, 17). Ehrenamt setzt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 27.6.1991, 2 RU 26/90; zuletzt: BSG, Urteil v. 7.9.2004, B 2 U 45/03 R) einerseits zwingend die Unentgeltlichkeit voraus. Dies allein genügt jedoch nicht, sonst wäre jede unentgeltliche Tätigkeit für eine Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts sogleich eine ehrenamtliche. Dem Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit ist nicht nur die Ehre, sondern auch das "Amt" eigen; ein ehrenamtlich Tätiger nimmt ein Amt ehrenhalber wahr. Die Tätigkeit muss nicht üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt werden (BSG, Urteil v. 7.9.2004, B 2 U 45/03 R: pensionierter Professor als Prüfer in einer Diplomprüfung). Eine Begrenzung auf Tätigkeiten, die üblicherweise ehrenamtlich verrichtet werden, wäre auch mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Dadurch, dass ein pensionierter Hochschullehrer nach Eintritt in den Ruhestand noch bei akademischen Prüfungen mitwirkt, unterstützt er seine frühere Universität bei der Wahrnehmung ihrer Prüfungsverpflichtungen und betätigt sich im öffentlichen Interesse, ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten. Er gehört damit genau zu dem Personenkreis, den der Gesetzgeber mit der Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auf ehrenamtliche Tätigkeiten zum Wohl der Allgemeinheit begünstigen wollte (vgl. nochmals BT-Drs. IV/120 S. 52). Die Tätigkeit selbst kann auch nur gelegentlich – einmal im Jahr – wahrgenommen werden (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82). Der Unentgeltlichkeit steht der Ersatz von Verdienstausfall oder Auslagen nicht entgegen, er ist unschädlich. Ebenso wenig schadet eine Aufwandsentschädigung, auch wenn sie für den Zeitaufwand gewährt wird. Besteht jedoch ein Missverhältnis zum Aufwand, so kann die "Aufwandsentschädigung" als verstecktes Entgelt zu qualifizieren sein.
Beispiele:
- Das Mitglied des Kirchenchors einer Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde übt bei der Mitwirkung im Chor keine ehrenamtliche Tätigkeit aus (BSG, Urteil v. 27.4.1972, 2 RU 14/69; abweichend: SG Mainz, Urteil v. 18.5.1990, S 2 U 176/89).
- Das Mitglied des Kirchenchores einer Römisch-Katholischen Kirchengemeinde übt bei der – nicht nur vorübergehenden – Mitwirkung im Chor eine ehrenamtliche Tätigkeit i. S. d. § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO aus (BSG, Urteil v. 19.8.1975, 8 RU 234/74).
- Die Mitwirkung an einem – von einer katholischen Kirchengemeinde zur Förderung kirchlicher Zwecke veranstalteten – Fußballspiel ist jedenfalls für solche Gemeindeglieder, die nicht einem kirchlichen Organ als Mitglieder angehören, keine Ausübung eines Amtes und deshalb keine ehrenamtliche Tätigkeit i. S. d. § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO (BSG, Urteil v. 7.12.1976, 8 RU 18/76).
- Das Holzhacken im Rahmen der Vorbereitungen für das alljährlich in dem Heimatort O. des Verletzten am 24.08. veranstaltete Bergfeuer zum Andenken an den bayerischen König Ludwig II. war eine ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde, vergleichbar der Tätigkeit im Rahmen von sog. Hand- und Spanndiensten (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82).
- Der Verletzte stellte auf Bitten des Gemeinderates seit mehreren Jahren sein Pferd für den alljährlich stattfindenden, von der Ortsgemei...