2.1 Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung
Rz. 3
Die Unfallversicherungsträger sind nach Eintritt eines Versicherungsfalls verpflichtet, eine frühzeitige und sachgemäße Heilbehandlung als Sachleistung zu erbringen (vgl. § 26 Abs. 2). Die Heilbehandlung kann auch eine besondere unfallmedizinische Heilbehandlung umfassen. Um dem Verletzten die beste Heilbehandlung zu gewähren, haben die Unfallversicherungsträger das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren entwickelt. Dieses ist geprägt von folgenden Grundsätzen:
- Erstversorgung am Unfallort,
- rechtzeitige Erfassung der Verletzten durch die Unfallversicherungsträger,
- Auswahl der Verletzten, die einer fachärztlichen oder besonderen Heilbehandlung bedürfen,
- nahtlose Koordination zwischen Klinik, niedergelassenem Arzt und Verwaltung sowie
- Rehabilitation aus einer Hand.
Rz. 4
Abs. 1 Satz 2 ermächtigt die Unfallversicherungsträger, besondere Anforderungen an die am Heilverfahren beteiligten Ärzte und Kliniken zu stellen (vgl. auch § 28 Abs. 4). Durch die Mitwirkung besonders qualifizierter Ärzte und Kliniken wird die Qualität der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung sichergestellt.
Rz. 5
Nach Abs. 1 Satz 3 sind die Unfallversicherungsträger befugt, die besonderen Heilverfahrensarten (D-Arzt-Verfahren; Verletzungsartenverfahren; Schwerstverletzungsartenverfahren, vgl. § 23 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger) weiterhin zu praktizieren und neue Verfahrensarten zu entwickeln.
2.2 Durchgangsarzt(= D-Arzt-)verfahren
Rz. 6
Das D-Arzt-Verfahren ist mit dem Ziel eingeführt worden, den Versicherten auch ambulant nach den Richtlinien des Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens umgehend zu untersuchen, zu behandeln und zu betreuen. Die Begrifflichkeit geht auf ein Abkommen zwischen den Berufsgenossenschaften und Ärzten v. 29.11.1921 zurück. Auf die Bestellung zum D-Arzt besteht bei Erfüllung der Voraussetzungen, anders als früher (BSG, Urteil v. 28.5.1974, 2/8/2 RU 118/72), ein Anspruch. Durchgangsärzte (D-Ärzte) sind Ärzte, die als solche von den Landesverbänden der DGUV beteiligt sind. Zu den Anforderungen an die Qualifikation eines D-Arztes vgl. Komm. zu § 28 Rz. 12.
2.3 Verletzungsartenverfahren
Rz. 7
Bei schweren Verletzungen sind die Verletzten in eigenen Kliniken oder Sonderstationen sowie in zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Kliniken stationär zu behandeln. § 37 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger konkretisiert, dass der behandelnde Arzt in Fällen, in denen eine Verletzung nach dem Verletzungsartenverfahren vorliegt, dafür zu sorgen hat, dass der Unfallverletzte unverzüglich in ein von den Landesverbänden der DGUV am Verletzungsartenverfahren beteiligtes Krankenhaus überwiesen wird. Die entsprechenden Erkrankungen sind dem Verletzungsartenverzeichnis zu entnehmen, vgl. Anlage 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger.
2.4 Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung und Erweiterte Ambulante Physiotherapie
Rz. 8
Die "Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung" (BGSW) umfasst die nach Abschluss der Akutbehandlung in zeitlichem Zusammenhang stehenden medizinisch indizierten stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, insbesondere die intensive Übungsbehandlung. Das Verfahren trägt dem Grundsatz "Rehabilitation aus einer Hand" Rechnung. Es ist insbesondere bei Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparats, Schädel-Hirnverletzungen und peripheren Nervenverletzungen vorgesehen. Die BGSW bedarf der Verordnung eines D-Arztes oder eines gemäß § 37 Abs. 3 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger befähigten Handchirurgen sowie der vorherigen Zustimmung des Unfallversicherungsträgers. Die DGUV und die SVLFG haben eine Handlungsanleitung zur Verordnung, Durchführung und Qualitätssicherung der Physiotherapie/Krankengymnastik – Physikalischen Therapie, Ergotherapie, Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP), Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW) und Arbeitsplatzbezogenen Muskuloskelettalen Rehabilitation (ABMR) entwickelt (Stand 1.1.2021, https://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/hand.pdf).
Rz. 9
Bei der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) handelt es sich um eine Kombination von Behandlungselementen der krankengymnastischen und physikalischen Therapie sowie des medizinischen Aufbautrainings. Diese Therapieform wird insbesondere bei schweren Gesundheitsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparats angewandt. Die EAP ist der ambulanten medizinischen Rehabilitation zuzuordnen (BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R). Nähere Einzelheiten sind der Handlungsanleitung der DGUV und SVLFG zu entnehmen (vgl. hierzu Rz. 8).
2.5 Beratungsfacharztverfahren
Rz. 10
Das Beratungsfacharztverfahren wurde nur in ländlichen Teilgebieten von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eingeführt, in denen der D-Arzt verkehrstechnisch schlecht erreichbar war. Das Beratungsfacharztverfahren ist ebenso wie das H-Arzt-Verfahren ausgelaufen (vgl. Rz. 11). Stattdessen wird die Versorgung der Unfallverletzten nach den besonderen Verfahren auf Durchgangsärzte beschränkt.
2.6 H-Arzt-Verfahren
Rz. 11
Das H-Arzt-Verfahren ist mit dem 31.12.2015 ausgelaufen. Ab 1.1.2011 wurden bereits keine neuen H-Ärzte mehr zugelassen...