Rz. 7
Abgefunden werden nur Renten auf unbestimmte Zeit. Dies ergibt sich mittelbar aus Abs. 2 Nr. 2, wonach nicht zu erwarten sein darf, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb des Abfindungszeitraums wesentlich sinkt. Eine Rente als vorläufige Entschädigung würde diese Voraussetzung nicht erfüllen. Die Prüfung und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – die Gewährung einer Abfindung kann nur aufgrund eines vorherigen Antrags (vgl. Komm. in Rz. 6 zu § 76) des Versicherten erfolgen. Ohne einen solchen kann der Unfallversicherungsträger von sich aus keine Entscheidung über eine Abfindung treffen.
Rz. 8
Die Entscheidung über die Abfindung trifft der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ist auch zu prüfen, ob durch die Abfindung schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit verletzt werden. Dies ist der Fall, wenn durch die Gewährung der Abfindung und den damit verbundenen 10-jährigen Wegfall der laufenden Rentenzahlung zur Hälfte der Versicherte leistungsberechtigt nach dem SGB II (Grundsicherung) wird bzw. hiernach höhere Leistungen als bisher beanspruchen kann. Es gelten die zur Ermessensausübung im Rahmen des § 76 erfolgten Ausführungen entsprechend (vgl. die Komm. in Rz. 7 zu § 76).
Rz. 9
Ein bestimmter Verwendungszweck für die beantragte Abfindung ist vom Versicherten nicht anzugeben und dürfte auch nicht bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden.
Rz. 10
Wie auch bei der Abfindung von Renten mit einer MdE unter 40 % setzt die Abfindung hier eine normale Lebensdauer des Versicherten voraus (vgl. die Komm. in Rz. 10 zu § 76). Ist aufgrund des Gesundheitszustandes des Versicherten wahrscheinlich, dass er vor Ablauf des Abfindungszeitraums verstirbt, kann die Abfindung versagt werden (zur Prognoseentscheidung: Hess. LSG, Urteil v. 28.1.2020, L 3 U 90/17; SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid v. 29.4.2020, S 1 U 688/19). In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend eine solche Wahrscheinlichkeit nur dann als hoch und damit als Versagungsgrund angesehen, wenn mit dem Tod in einem Zeitraum von etwa 3 Jahren gerechnet werden kann, weil es sich insofern um einen weitgehend zuverlässigen überschaubaren Zeitraum handele (so SG Kiel, Urteil v. 18.9.2002, S 2 U 123/01; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 78 Rz. 7 unter Hinweis auf ein Rundschreiben des BMA v. 20.12.1971, Va 3-52 zu § 73 BVG; Jung, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 78 Rz. 11; Plum, in: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 05/18, US 0640 S. 17, der jedoch fälschlich als Befürworter dieser Ansicht Kranig in Hauck/Noftz anführt; dieser vertritt jedoch vielmehr die abweichende Auffassung, dass diese Anforderung an eine Versagung der Abfindung im Hinblick auf den 10-Jahres-Zeitraum zu weitgehend sei, vgl. Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 78 Rz. 11).