"Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten" stellt der Weltklimarat (IPCC) fest. Bei hohen Temperaturen zu arbeiten, kann Gesundheitsschäden auslösen, von der mangelnden Qualität der Arbeit bei körperlichem Unwohlsein ganz zu schweigen. Von der Schule kennt man "hitzefrei", aber gilt das auch für das Arbeitsverhältnis? Kann der Arbeitnehmer die Arbeit bei Weiterzahlung der Vergütung verweigern, wenn es am Arbeitsplatz zu heiß ist?
1.3.1 Pflichten bei Hitze am Arbeitsplatz
Bei Temperaturen über 26 °C ist die Arbeitsausübung erschwert, ab 30 °C ist die Arbeitsausübung beeinträchtigt. Zunächst ist es bei diesen Temperaturen jedoch nicht zu heiß, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Vielmehr muss der Arbeitgeber reagieren und auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung die Lage analysieren und Maßnahmen zur Verbesserung einleiten.
Mögliche Reaktionsmaßnahmen
Der Katalog der in der Arbeitsstättenrichtlinie genannten Vorschläge der Reaktionsmaßnahmen geht von Sonnenschutz über Ventilatoren bis hin zu "Arbeitszeitverlagerung" und "zusätzlichen Entwärmungsphasen".
Die Verlegung entbindet nicht von der Arbeitsleistung und nicht von der Entgeltzahlungspflicht. Im Zweifel ist die konkrete Umsetzung mit dem Betriebsrat und seinen Mitbestimmungsrechten zu regeln.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.
Die Arbeitsstättenregel gilt für Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räume, an die betriebstechnisch keine spezifischen raumklimatischen Anforderungen gestellt werden, kurzum: sie gilt in den Betriebsräumen des Arbeitgebers. Im Homeoffice gilt dies nur, soweit ein Telearbeitsvertrag eingerichtet ist, bei dem die Einrichtung zulasten des Arbeitgebers geht. Dabei hat der Arbeitgeber bereits beim Einrichten der Arbeitsstätte darauf zu achten, dass die baulichen Voraussetzungen an den sommerlichen Wärmeschutz nach den anerkannten Regeln der Technik (nach geltendem Baurecht) gegeben sind.
Abgrenzung Hitzearbeit
Es gibt Tätigkeiten, die gerade Hitze voraussetzen (z. B. Gießerei, Stahlproduktion). Solche Hitzearbeit sind also Tätigkeiten, die gerade wegen der für den Bearbeitungsvorgang notwendigen prozessualen Hitze stattfinden und nicht für das Arbeiten "bei" Hitze als meteorologische Begleiterscheinung gedacht. Auch hier gelten die Verfahrensschritte der Gefährdungsbeurteilung: wenn sich die Gefahr nicht abstellen lässt und auch nicht mildern lässt, sind sie durch Schutzmaßnahmen (PSA – persönliche Schutzausrüstung) und Ausgleichsleistungen zu kompensieren.
1.3.2 Pflicht zur Entgeltfortzahlung bei Hitze
Wird die Lufttemperatur im Raum von 35 °C überschritten, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung nicht als Arbeitsraum geeignet, sofern keine technischen Maßnahmen (z. B. Luftduschen, Wasserschleier), organisatorischen Maßnahmen (z. B. Entwärmungsphasen) oder persönliche Schutzausrüstung (z. B. Hitzeschutzkleidung) ergriffen wurden. Es stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer dann die Arbeitsleistung unter Verweis auf die Ungeeignetheit verweigern kann und trotzdem seinen Vergütungsanspruch beibehält.
Im Arbeitsvertrag gilt das Austauschverhältnis Geld gegen Arbeit (sog. Synallagma). Das heißt, ohne Erbringung der Arbeitsleistung erhält der Arbeitnehmer zunächst keinen Lohn. Von diesem Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" enthält das geltende Dienstvertragsrecht in den §§ 615, 616 BGB abweichende Regelungen. Der Arbeitgeber hat u. a. das Entgelt fortzuzahlen, wenn er das Betriebsrisiko des Arbeitsausfalls trägt. Dies dürfte auch dann gelten, wenn Arbeitsräume aufgrund zu hoher Lufttemperatur nicht als Arbeitsraum genutzt werden können.
Das BAG musste sich in einer Entscheidung mit der Frage auseinandersetzen, ob die im Rahmen eines allgemeinen "Lockdowns" zur Bekämpfung der Corona-Pandemie staatlich verfügte vorübergehende Betriebsschließung einen Fall des vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragenden Betriebsrisikos darstellt. Dies wurde im Ergebnis verneint, da es dem Arbeitgeber unmöglich war, die Leistung des Arbeitnehmers anzunehmen.
Im Rahmen der Auflösung über § 615 Satz 3 BGB sind die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Zurechnung des Betriebsrisikos zu berücksichtigen. § 615 Satz 1 weist dem Dienstherrn die Substratgefahr zu, das heißt, er trägt das Risiko, die vom leistungsbereiten und -fähigen Dienstverpflichteten angebotene Leistung wegen einer Störung des beim Diensther...