Dr. Christian Schlottfeldt
3.1 Problematik von Kappungsregelungen
In vielen Zeitkontenregelungen finden sich sogenannte Kappungsregelungen, die Plussalden oberhalb definierter Schwellenwerte zu bestimmten Stichtagen verfallen lassen. Solche Regelungen können keine individual-arbeitsrechtlichen Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung ausschließen. Hat der Arbeitnehmer also auf Anordnung oder zumindest mit Billigung oder Duldung des Arbeitgebers die Kappungsgrenze überschritten, so bleiben seine diesbezüglichen Mehrarbeitsvergütungsansprüche trotz Kappung erhalten. Der Arbeitnehmer kann also den Arbeitgeber auf Wiedergutschrift der gekappten Stunden in Anspruch nehmen.
Kappungsregelungen in Betriebsvereinbarungen sind nach Auffassung des BAG auslegungsbedürftig. Sie können regelmäßig als Verpflichtung des Arbeitgebers verstanden werden, die Arbeitszeiten so zu steuern, dass die Kappungsgrenzen nicht überschritten werden.
3.2 Umgang mit Plus- und Minusstunden bei Ausscheiden
Vergütungsrechtlich spiegelt ein Zeitkonto den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wider. Das wird insbesondere beim Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Betrieb relevant: Bei Plussalden hat der Mitarbeiter einen Auszahlungsanspruch, wenn der im Rahmen einer Zeitkontenregelung vorgesehene (Zeit-)Ausgleich eines Zeitguthabens nicht möglich ist. Das Guthaben ist in diesem Fall auszuzahlen.
Hat dagegen der Arbeitgeber das Zeitkonto ins Minus disponiert, verfällt ein bestehender Minussaldo bei Ausscheiden zulasten des Arbeitgebers (Annahmeverzug), da der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags einen Anspruch darauf hat, im Umfang der vereinbarten Arbeitszeit auch tatsächlich beschäftigt zu werden. Zu einem "Auffüllen" von Minusstunden mit Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber nicht berechtigt.
Eine Verrechnung von Minusstunden mit Entgeltansprüchen darf der Arbeitgeber nur dann vornehmen, soweit der Mitarbeiter die Zeitschulden zu vertreten hat, also insbesondere bei Inanspruchnahme von Minussalden aus persönlichen Gründen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, soweit der Arbeitnehmer über die Inanspruchnahme von Minussalden frei entscheiden kann, was regelmäßig bei Gleitzeitmodellen der Fall ist.
3.3 Entgeltfortzahlung
Zweck des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist es, den Arbeitnehmer vor Entgeltkürzungen bei Krankheit und feiertagsbedingtem Arbeitsausfall zu bewahren. Für die Entgeltfortzahlung gilt grundsätzlich das Lohnausfallprinzip: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf das Entgelt, das er erhalten hätte, wenn die Arbeitszeit nicht ausgefallen wäre. Zum Entgelt gehören dabei neben dem ausgezahlten Arbeitslohn auch Zeitgutschriften und Zeitschulden, die dem Arbeitnehmer ohne Krankheitsfall gewährt bzw. belastet worden wären.
Bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage (z. B. 5-Tage-Woche Montag bis Freitag mit jeweils 8 Stunden Soll-Arbeitszeit an allen Arbeitstagen) ergeben sich hinsichtlich der Zeitkontenführung in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten: Der Mitarbeiter wird am Krankheitstag oder bei feiertagsbedingtem Arbeitsausfall im Zeitkonto so gestellt, als hätte er die Soll-Arbeitszeit erbracht.
Bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage, etwa im Rahmen von Schicht- oder Dienstplänen, muss an Tagen mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung jedoch auf die geplante Arbeitszeitdauer abgestellt werden. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Anrechnung der Arbeitszeit im Zeitkonto hat, die er tatsächlich geleistet hätte. Dies betrifft auch Arbeitnehmer im Tagesdienst mit arbeitsvertraglicher Vereinbarung einer ungleichmäßig verteilten Arbeitszeit.
Anrechnung von Ausfallzeiten nach Ausfallprinzip
Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit einer Vertragsarbeitszeit von 30 Stunden/Woche arbeitet in einer 4-Tage-Woche von Montag bis Donnerstag.
Die für die einzelnen Tage festgelegte Arbeitszeit beträgt an den Tagen Montag bis Mittwoch je 8 Stunden, am Donnerstag dagegen nur 6 Stunden.
Erkrankt der Arbeitnehmer an einem Montag, so sind ihm 8 Stunden Arbeitszeit im Zeitkonto anzurechnen; an einem Donnerstag sind es 6 Stunden.
Entsprechendes gilt für feiertagsbedingten Arbeitsausfall. An Krankheits- oder Feiertagen, die auf einen Freitag fallen, erfolgt dagegen überhaupt keine Anrechnung. Denn an Freitagen kann aufgrund der verabredeten Verteilung der Arbeitszeit auf die Tage Montag bis Donnerstag niemals krankheits- oder feiertagsbedingt die Arbeit ausfallen!
Vom Ausfallprinzip der Entgeltfortzahlung darf gem. § 4 Abs. 4 EFZG nur auf der Grundlage eines Tarifvertrags abgewichen werden. Sofern eine entsprechende tarifvertragliche Regelung vorliegt, kann anstelle der tatsächlich ausgefallenen Arbeitszeit beispielsweise auch die Anrechnung eines Durchschnittswerts erfolgen, weshalb man in diesen Fällen auch vom Durchschnittsprinzip oder Referenzprinzip spricht. Dieser Durchschnittswert ergibt sich in der Regel durch eine gleichmäßige Verteilung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auf die vorgesehenen Arbeitstage. Man spricht insoweit auch von der auf einen A...