Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Entscheidung über die Besetzung einer Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Der sich in § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG widerspiegelnde Kompromiss gebietet es, keine überzogenen Zulässigkeitshürden innerhalb des Rechtsschutzbedürfnisses zu errichten.
2. Wird in einem Einigungsstelleneinsetzungsverfahren die vom Antragsteller benannte Person von einem anderen Beteiligten abgelehnt, ist dies irrelevant, wenn der ablehnende Beteiligte keine nachvollziehbaren Einwände gegen die vorgeschlagene Person erhebt und sich auch dem Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Fachkunde und der Unparteilichkeit der oder des Vorsitzenden aufdrängen.
3. Zu der erforderlichen Sach- und Rechtskunde einer Person, die zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle bestellt werden soll, gehört es nicht notwendig, dass diese Person bereits eine andere Einigungsstelle zu einem entsprechenden Thema geleitet hat.
4. Sind in einer Einigungsstelle verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen zu verhandeln, ist es gleichwohl nicht allein deshalb angezeigt, für jede Seite eine zusätzliche (hier: vierte) Person als Beisitzer zu bestimmen.
Die Beschwerde des zu 2 beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.05.2019 - 22 BV 97/19 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Adressangabe in Nr. 1 des Beschlusstenors richtig lautet: "K.straße (...)".
Normenkette
ArbGG § 100; BetrVG § 76 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 27.05.2019; Aktenzeichen 22 BV 97/19) |
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Abschnitt I. der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses vom 27.05.2019 sowie auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die von der zu 1 beteiligten Arbeitgeberin erstrebte Einigungsstelle, die über die Einführung eines Videoüberwachungssystems in der Filiale der Arbeitgeberin in S., K.straße (...), (...) entscheiden soll, eingesetzt und hat Frau Richterin am Arbeitsgericht X. Y. zur Vorsitzenden dieser Einigungsstelle bestellt. Des Weiteren hat es die Zahl der Beisitzer pro Seite auf drei Personen festgesetzt. Mit seiner Beschwerde wendet sich der zu 2 beteiligte Betriebsrat hiergegen im Wesentlichen mit der Begründung, eine Einigung sei nicht offenbar gescheitert, die eingesetzte Vorsitzende habe nach Kenntnis des Betriebsrats keine vertieften Kenntnisse zum Thema Videoüberwachung sowie Datenschutzbestimmungen, anders als der vom Betriebsrat favorisierte Herr Z., zumindest sei Herr Q. vorzuziehen, da er Erfahrung in der Regelung von technisch-optischen Überwachungsanlagen besitze, zudem sei die Zahl der Beisitzer auf vier Personen pro Seite festzulegen.
Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts wird analog § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen, da gegen den vorliegenden Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht statthaft ist.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft. Sie ist auch in der gesetzlichen Form und innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG eingelegt und begründet worden.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Einigungsstelle mit der vom Arbeitsgericht bestimmten Vorsitzenden und der vom Arbeitsgericht gewählten Anzahl von Beisitzern eingesetzt. Das Beschwerdegericht verweist vollumfänglich auf die Beschlussgründe des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu eigen. Die Ausführungen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz veranlassen keine Abänderung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses, lediglich die folgenden ergänzenden Erwägungen.
1. Dem prozessualen Begehren der Arbeitgeberin fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Aus der Vorgeschichte wird deutlich, dass die Arbeitgeberin die Verhandlungen mit dem Betriebsrat "mit dem ernsten Willen zur Einigung" geführt hat. Obwohl hierzu nicht nötig ist, dass ein Entwurf für die erstrebte Betriebsvereinbarung bereits ausformuliert wurde, hat die Arbeitgeberin einen solchen Entwurf ausformuliert und dem Betriebsrat vorgelegt. Der Betriebsrat hat einen Gegenentwurf vorgelegt. Danach kam es monatelang nicht dazu, dass ein gemeinsamer Termin gefunden werden konnte, wobei es konkrete Vorschläge der Arbeitgeberin gab, einmal sogar ein Termin vereinbart wurde, dieser aber von Betriebsratsseite abgesagt wurde, ohne dass der Betriebsrat einen konkreten neuen Termin vorschlug. Es ist nachvollziehbar, dass die Arbeitgeberin nach Ablauf mehrerer Monate nunmehr nicht länger außergerichtlich zuwarten wollte. Der sich in § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG widerspiegelnde Kompromiss gebietet es, keine überzogenen Zulässigkeitshürden innerhalb des Rechtsschutzbedürfnisses zu errichten (vgl. LAG Baden-Württemberg 30.09.2010 - 15 TaBV 4/10 - Juris; ausführlich und unter Verarbeitung der Entstehungsgeschichte ArbG Karlsruhe 17.03.2005 - 6 BV 2/05 - Juris). Es ist auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geboten, hier die Vereinbarung eines außergerichtlichen Verhandlungstermins für den Betr...