Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Verfallsfrist ohne ausdrückliche Ausnahme der Mindestlohnansprüche
Leitsatz (amtlich)
§ 3 MiLoG führt nicht deswegen zur gesamten Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist, weil die Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz nicht explizit von dem Verfall ausgenommen worden sind.
Leitsatz (redaktionell)
›§ 3 MiLoG führt nicht deswegen zur gesamten Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist, weil die Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz nicht explizit von dem Verfall ausgenommen worden sind.‹
Normenkette
BGB § 205c Abs. 1, §§ 306, 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; MiLoG § 3; BGB § 138 Abs. 2, § 305c Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lörrach (Entscheidung vom 28.06.2017; Aktenzeichen 5 Ca 408/16) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach - Kn. Radolfzell - vom 28. Juni 2017, Az: 5 Ca 408/16, wird zurückgewiesen.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach - Kn. Radolfzell - vom 28. Juni 2017, Az: 5 Ca 408/16, wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 % zu tragen.
- Die Revision wird, soweit sie sich auf das Urlaubsgeld 2015 sowie das Weihnachtsgeld 2015 bezieht, zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Kündigung der Beklagten vom 27. September 2016 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sowie über Differenzlohnansprüche wegen behaupteter sittenwidriger Vergütungsvereinbarung, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Gutschrift von Überstunden auf ein Arbeitszeitkonto.
Der am 0.0.1955 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 6. März 1997 als Techniker zuletzt zu einem Bruttolohn in Höhe von 3.234,10 Euro bei einer 40-Stunden-Woche beschäftigt.
Die Beklagte konzipiert Aluminiumplattformen für hydraulische LKW-Ladebordwände, Aluminiumbrücken, Türme, Stege und Treppen und beschäftigt circa 40 Arbeitnehmer.
Die Beklagte zahlte in den Jahren 1998, 1999 und 2000 an alle Beschäftigten mit der Novemberlohnabrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des Bruttomonatsgehaltes (vgl. Bl. 27 ff. der erstinstanzlichen Akte).
Daneben zahlte die Beklagte in dem Zeitraum 1997 bis 2003 an alle Beschäftigte mit der Juniabrechnung ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % der Bruttomonatsvergütung (vgl. Bl. 30 ff. der erstinstanzlichen Akte).
Von 2008 bis 2010 gab es bei der Beklagten Kurzarbeit.
Ein bei der Beklagten für den Kläger geführtes Überstundenkonto wies zum Jahresende 2009 453,77 Überstunden aus, die zum Jahreswechsel 2009/2010 durch die Beklagte ohne Gegenleistung gestrichen wurden.
Unter Punkt 9 des Arbeitsvertrages, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, vereinbarten die Parteien eine Verfallsfrist mit folgendem Wortlaut (Bl. 53 der erstinstanzlichen Akte):
"Verfallsfrist
Die Parteien vereinbaren, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen. Der Verfall tritt nicht ein, wenn solche Ansprüche innerhalb dieses Zeitraumes schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden."
Mit Schreiben vom 3. August 2016 machte der Kläger gegenüber der Beklagten für den Zeitraum 2013 bis einschließlich Juli 2016 Vergütungsdifferenzen wegen Sittenwidrigkeit der bezahlten Monatsvergütung geltend. Daneben begehrte er in diesem Schreiben die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015 sowie einen Ausgleich für die Ende 2009 gestrichenen Überstunden (vgl. Bl. 37 ff. der erstinstanzlichen Akte).
Mit Schreiben vom 27. September 2010, dem Kläger zugegangen am 29. September 2010, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017 und berief sich dabei auf betriebsbedingte Gründe.
Mit seiner am 14. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht Lörrach - Kn. Radolfzell - eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung sowie die bereits außergerichtlich geltend gemachten Zahlungsansprüche begehrt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, da nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei, wieso sein Arbeitsplatz in Wegfall geraten sein solle. Zudem liege ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor, da die Kündigung nur erfolgt sei, weil er seine Vergütungsansprüche geltend gemacht habe.
Auch sei die Vergütungsvereinbarung sittenwidrig. Der Kläger bekomme seit 2003 unverändert eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.234,10 Euro brutto bei einer Arbeitsverpflichtung von 40 Stunden, habe aber tatsächlich Anspruch auf Zahlung der monatlichen Vergütung der Entgeltgruppe 11 nach dem für die Beklagte maßgeblichen Metalltarifvertrag (ERA-TV) in Höhe von derzeit 5.659,42 Euro brutto. Bei Berücksichtigung des Grundlohns dieser Vergütungsgruppe, einer Leistungszulage in Höhe von 15% und dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe er in den letzten Jahren lediglich 57,14 % bis 6...